Kein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung beim Immobilienverkauf bei fehlerhafter Formulierung BGH (XI. Zivilsenat), Urteil vom 03.12.2024 – XI ZR 75/23
Der Fall:
Die Parteien schlossen am 6./17.12.2018 (170.000 € Nettodarlehensbetrag, 2,0 % Sollzinsbindung bis 31.12.2028) und am 5./7.2.2019 (20.000 € Nettodarlehensbetrag, 3,5 % Sollzinsbindung bis 31.01.2029) jeweils einen Immobiliar-Darlehensvertrag mit jährlichen Sondertilgungsrechten.
Beide Verträge regelten in Ziffer 7 die Möglichkeit einer vorzeitigen Rückzahlung bei berechtigtem Interesse des Darlehensnehmers, wobei in Ziffer 8 die Berechnung der dafür anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Passiv-Methode des BGH beschrieben wurde. Zahlt der Darlehensnehmer das Darlehen vorzeitig auf eigenen Wunsch zurück, hat die Bank danach einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der aus dieser vorzeitigen Rückzahlung entsteht.
Die geplante Vertragslaufzeit wurde auf 20 Jahre und 8 Monate bzw. 14 Jahre und 3 Monate festgesetzt.
Im Jahr 2020 teilten die Kläger der Beklagten mit, das finanzierte Objekt zu veräußern und die Darlehen daher vorzeitig ablösen zu wollen.
Die Beklagte berechnete den Klägern für die vorzeitige Ablösung eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 8.550,36 EUR und 7.304,39 EUR.
Unter Vorbehalt zahlten die Kläger 10.048,90 EUR an die Beklagte, die sie nun im Klageweg zurückverlangen.
Die Entscheidung:
Sowohl das erstinstanzliche als auch das Berufungsgericht sahen die Klage im Wesentlichen als begründet an.
Die Beklagte habe in ihren Verträgen mit der Formulierung „Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens“ einen falschen Eindruck erweckt, da ein normal informierter Verbraucher dies als die gesamte Restlaufzeit des Darlehensvertrags versteht.
Aufgrund der gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB bestehenden Kündigungsmöglichkeit bezieht sich der Zeitraum der rechtlich gesicherten Zinserwartung von vornherein per Gesetz nur auf die ersten 10 Jahre und 6 Monate und nicht auf die gesamte vereinbarte Vertragslaufzeit.
Zudem wurde nicht über die Auswirkungen der vereinbarten jährlichen Sondertilgungsrechte auf die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung hinreichend informiert, obwohl dies einen aufklärungspflichtigen Umstand darstellt.
Die fehlerhafte Angabe zur Restlaufzeit sowie der mangelnde Hinweis auf das Sondertilgungsrecht stellten insbesondere erhebliche Pflichtverletzungen dar, da sie die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung maßgeblich beeinflussten.
Der BGH hat diese Entscheidungen nun letztinstanzlich bestätigt und geurteilt, dass den Klägern sein Anspruch auf Rückerstattung der Vorfälligkeitsentschädigungen zusteht, da ein Anspruch auf Zahlung von Vorfälligkeitsentschädigung gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht gegeben sei.
Im Wesentlichen ist der entscheidende Senat den vorherigen Instanzen gefolgt.
Nach Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB sind „klar und verständlich“ formulierte Angaben in Immobiliar-Verbraucherverträgen erforderlich.
Die im Darlehensvertrag enthaltenen Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung seien in dem Lichte der Norm unzureichend.
Letztlich könne diese Formulierung Verbraucher von der Ausübung ihres Rechts auf vorzeitige Rückzahlung abhalten.
Offengelassen hat der XI. Zivilsenat des BGH, ob die fehlende Information zu den Sondertilgungsrechten ebenfalls den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ausscheiden lässt.
Bedeutung für die Praxis:
Eine bisher strittige Frage zur korrekten Angabe der Berechnungsmethode für eine Vorfälligkeitsentschädigung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehen wurde nun erstmals auf höchstrichterlicher Ebene entschieden. Das Ergebnis fiel zu Gunsten der Bankkunden aus.
Diese Entscheidung wirft jedoch die grundsätzliche Frage auf, ob hier ein erforderlicher Maßstab für den Verbraucherschutz gesetzt worden ist oder ob es sich um eine übertriebene Formvorgabe handelt, die die Darlehenspraxis erheblich erschwert.
Die Vorfälligkeitsentschädigung wurde im konkreten Fall nicht falsch berechnet. Der Vertrag enthielt „lediglich“ eine „Worst-Case-Szenario“- Klausel, die vorliegend gerade nicht einschlägig war.Der Verbraucher war sogar bereit den Vertrag zu schlechteren Konditionen abzuschließen und wurde bei Ablösung dann darüber informiert, dass er doch bessergestellt wird.
Es ist daher höchst fraglich, ob eine benachteiligende Irreführung vorliegt.
Für die Rechtsfolge des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist dies allerdings irrelevant. Die Vorschrift sieht bei unzureichenden Angaben den vollständigen Ausschluss der Vorfälligkeitsentschädigung vor, ohne eine Kausalität zwischen dem Fehler und der Vertragsentscheidung oder der Rückzahlung vorauszusetzen.
Solange dies so ist, wird sich die Praxis gezwungenermaßen auf diese neue Rechtsprechung einstellen müssen.
Obwohl sich das Urteil auf Immobiliar-Verbraucherdarlehen bezieht, ist zudem davon auszugehen, dass die Argumentation auch auf allgemeine Verbraucherkonsumdarlehen zu übertragen ist.
Weiterhin höchstrichterlich ungeklärt bleibt, ob die Auswirkungen von Sondertilgungsrechten bei den Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung zu berücksichtigen sind.
Kategorie: Bank- und Kapitalmarktrecht, 15. Mai 2025
Ansprechpartner:
- Atif Yildirim
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