Hausverbot gegen Angehörige in der Pflegeeinrichtung – Ultima Ratio

Hausverbot gegen Angehörige in der Pflegeeinrichtung – Ultima Ratio


Pflegeeinrichtungen stehen zunehmend vor der Herausforderung, zwischen dem Schutz ihrer Mitarbeiter, dem Wohl der Bewohner und den Interessen der Angehörigen abzuwägen. In manchen Fällen münden diese Spannungsfelder in die Entscheidung, einem Angehörigen den Zutritt zur Einrichtung zu untersagen – ein rechtlich sensibler, aber in Einzelfällen notwendiger Schritt. Das Hausverbot ist dabei stets ultima ratio.

1. Schutz des Pflegepersonals vor Übergriffen

Pflegekräfte sind im Berufsalltag immer häufiger verbalen Angriffen, Respektlosigkeiten und auch rassistischen Anfeindungen ausgesetzt – nicht nur durch Bewohner, sondern auch durch deren Angehörige. Laut einer aktuellen Umfrage im Auftrag des Deutschen Instituts für Menschenrechte gab rund die Hälfte der befragten Pflegekräfte an, bereits rassistisch beleidigt oder diskriminiert worden zu sein (Tagesschau vom 20.03.2025).

Diese Entwicklung macht deutlich, wie notwendig es für Pflegeeinrichtungen ist, ihre Mitarbeitenden aktiv zu schützen – insbesondere vor wiederkehrenden und gezielten Übergriffen durch Angehörige. In bestimmten Fällen kann ein Hausverbot dann erforderlich sein, um weitere Eskalationen zu verhindern und ein sicheres Arbeitsumfeld zu gewährleisten.

Das Hausrecht der Einrichtung (§§ 903, 1004 BGB) erlaubt grundsätzlich, Personen den Zutritt zu verwehren. Jedoch sind die Anforderungen an ein Hausverbot hoch – insbesondere dann, wenn es nahe Angehörige betrifft.

Die Rechtsprechung geht dabei regelmäßig davon aus, dass ein Heim nicht wie ein beliebiger Eigentümer über seine Räumlichkeiten verfügen kann. Der Zugang zu den Bewohnern gehört zum sozialrechtlichen Auftrag der Einrichtung. In gerichtlichen Auseinandersetzungen trägt daher regelmäßig die Einrichtung die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für die Voraussetzungen eines wirksamen Hausverbots – nicht der Angehörige für das Zutrittsrecht.

2. Schutz der Bewohner vor unsachgemäßer Einflussnahme

Neben dem Schutz der Mitarbeiter dient ein Hausverbot in bestimmten Fällen auch dem Wohl der Bewohner. Angehörige meinen es oft gut – greifen aber nicht selten unangemessen in pflegerische Abläufe ein. Eigenmächtige Pflegehandlungen, das Anreichen von mitgebrachten Medikamenten oder das Missachten ärztlicher Anordnungen stellen keine Seltenheit dar.

Gerade bei betreuten oder pflegebedürftigen Personen kann dies gefährlich werden. Bewohner müssen davor geschützt werden, dass Angehörige – in der Annahme, es besser zu wissen als das Pflegepersonal – Entscheidungen treffen oder Maßnahmen ergreifen, die medizinisch oder pflegerisch nicht indiziert sind.

Allerdings reicht nicht jede unsachgemäße Einflussnahme aus, um ein Hausverbot zu rechtfertigen. Die Rechtsprechung fordert regelmäßig eine konkrete, erhebliche Gesundheitsgefährdung. Diese muss über bloße Regelverstöße hinausgehen – etwa in den Bereich einer Lebensgefahr reichen oder eine massive Gefährdung der Pflegeverantwortung darstellen. Ist der Bewohner einsichtsfähig und willigt ausdrücklich ein, können sich die Handlungsspielräume des Heims zusätzlich verengen.

Die Einrichtung ist dabei nicht verpflichtet, Bewohner vor Risiken zu schützen, denen sie sich bewusst selbst aussetzen – etwa durch von ihnen gewünschte Unterstützungsleistungen ihrer Angehörigen. In solchen Fällen ist es entscheidend, dass das Heim seine Aufklärungspflichten erfüllt und diese dokumentiert.

Schutzpflichten entstehen erst wieder dann, wenn der Bewohner nicht einsichtsfähig ist oder unter erheblichem Einfluss steht und keine eigene Entscheidung mehr treffen kann. Auch dann jedoch ist ein Hausverbot nur zulässig, wenn mildere Mittel ausgeschöpft wurden – wie z. B. Auflagen, Unterlassungserklärungen oder zeitlich und örtlich begrenzte Kontaktregelungen.

Pflegebetrieb: Kein Schutz vor Unmut, sondern vor Störungen

Ein weiteres zentrales Kriterium ist die mögliche Beeinträchtigung des Pflegebetriebs. Ein Hausverbot kann gerechtfertigt sein, wenn das Verhalten des Angehörigen den pflegerischen Ablauf nachhaltig stört oder gefährdet – z. B. durch Eingriffe in die Pflege anderer Bewohner, durch wiederholte Eskalationen auf Stationen oder durch die Blockade der Arbeit des Pflegepersonals.

Demgegenüber reichen wirtschaftliche Interessen der Einrichtung oder schlechte Öffentlichkeitswirkung nicht aus. Wer sich lautstark beschwert, bei Heimführungen kritisiert oder die lokale Presse einbezieht, gefährdet möglicherweise das Ansehen – aber nicht die Pflege. Solche Fälle sind allenfalls zivil- oder strafrechtlich zu verfolgen, nicht durch ein Hausverbot.

Auch ein einmaliger gravierender Vorfall kann ein Hausverbot nicht ohne Weiteres rechtfertigen, wenn keine Wiederholungsgefahr besteht.

Abwägung mit dem Wohl des Bewohners

Selbst wenn die Voraussetzungen für ein Hausverbot vorliegen, ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zwingend. Das Gericht wird prüfen, welche Folgen das Verbot für den Bewohner hat – und ob diese schwerer wiegen als das Schutzinteresse der Einrichtung. Denn der Betroffene ist nicht der Angehörige, sondern in der Praxis regelmäßig der Bewohner selbst.

Ein Hausverbot kann nur dann bestehen, wenn es auch im Interesse des Bewohners vertretbar oder geboten ist – etwa, weil alternative Besuchsmöglichkeiten bestehen, der Bewohner keinen Kontakt wünscht oder durch das Verhalten des Angehörigen tatsächlich belastet wird.

Unsere Erfahrung – Bundesweite Beratung

Unsere Kanzlei berät seit vielen Jahren Pflegeeinrichtungen, Träger und Leitungskräfte zu rechtlichen Fragen im Pflegealltag – unter anderem in Fällen von Hausverboten, Angehörigenkonflikten oder Störungen des Betriebsablaufs. Wir vertreten Mandanten bundesweit mit besonderer Expertise in arbeits-, betreuungs- und haftungsrechtlichen Fragen im Gesundheits- und Sozialwesen.

Fazit

Ein Hausverbot gegen Angehörige ist ein besonders gravierender Eingriff, der mit großer Zurückhaltung und nur in eng begrenzten Ausnahmefällen ausgesprochen werden sollte. Es dient dem Schutz des Pflegepersonals vor Übergriffen und kann in Einzelfällen auch notwendig sein, um Bewohner vor unzulässiger Einflussnahme zu bewahren. Allerdings darf es niemals vorschnell und nicht als bloße Reaktion auf Kritik verhängt werden.

Pflegeeinrichtungen sind gut beraten, bei sich häufenden Konflikten frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen, Maßnahmen sorgfältig zu dokumentieren und gestuft vorzugehen – stets mit dem Ziel, Eskalationen zu vermeiden, ohne die Rechte der Betroffenen zu übergehen.

Kategorie: Pflege & Recht, 25. März 2025



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