BGH: Keine Ausgleichsansprüche bei verzögerter Abfertigung wegen eines mehrstündigen Systemausfalls am Flughafen
Bundesgerichtshof (BGH)
Urteile vom 15. Januar 2018 – X ZR 15/18 und X ZR 85/18
In den beiden obigen Verfahren beanspruchen die Klägerinnen Ausgleichszahlungen in Höhe von jeweils 600 € wegen verspäteter Flüge nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004).
Die Klägerinnen buchten bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen Flüge von New York nach London mit Anschlussflügen nach Stuttgart. Die Flüge von New York nach London starteten verspätet und landeten mehr als zwei Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit. Infolgedessen erreichten die Reisenden den ursprünglich vorgesehenen Weiterflug in London nicht und kamen mit einer Verspätung von mehr als neun Stunden in Stuttgart an. Die Beklagte berief sich auf außergewöhnliche Umstände.
Das Berufungsgericht wies in beiden Fällen die Klage ab. Nach seinen Feststellungen wurde die Verspätung der Flüge durch einen Ausfall aller Computersysteme an den Abfertigungsschaltern am Flughafen in New York verursacht. Aufgrund eines Streiks bei dem für die Telekommunikationsleitungen gegenüber dem Flughafenbetreiber verantwortlichen Unternehmen konnte der Systemausfall erst nach 13 Stunden behoben werden.
Der BGH wies nun in beiden Fällen die Revision der Klägerinnen zurück.
Nach den Urteilen des für das Personenbeförderungsrecht zuständigen X. Zivilsenats sei das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass ein mehrstündiger Ausfall aller Computersysteme an den Abfertigungsschaltern eines Terminals außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung begründen könne. Der Betrieb der technischen Einrichtungen eines Flughafens, zu denen auch die Telekommunikationsleitungen gehören, obliege dem Flughafenbetreiber. Ein Systemausfall, der darauf beruhe, dass die Funktionsfähigkeit derartiger Einrichtungen durch einen technischen Defekt über einen längeren Zeitraum beeinträchtigt oder aufgehoben werde, stelle ein Ereignis dar, das von außen auf den Flugbetrieb des Luftverkehrsunternehmens einwirke und dessen Ablauf beeinflusse. Ein derartiges Vorkommnis sei von diesem Unternehmen jedenfalls nicht zu beherrschen, da die Überwachung, Wartung und Reparatur derartiger Einrichtungen nicht in seinen Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereich falle.
Auch die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe mit der manuell und über Mitarbeiter in Washington telefonisch durchgeführten Abfertigung der Fluggäste alle ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um den durch den Systemausfall bedingten Beeinträchtigungen entgegenzuwirken, lasse keinen Rechtsfehler erkennen. Dass die Beklagte durch ein Ausweichen auf die technischen Einrichtungen eines anderen Terminals die Verspätung hätte verhindern können, sei weder festgestellt noch vorgetragen.
Unerheblich sei zudem, ob die Beklagte, den Start des gebuchten Flugs von London nach Stuttgart verschieben, die Klägerinnen auf einen anderen Flug von London nach Stuttgart umbuchen oder einen zusätzlichen Flug nach Stuttgart hätte durchführen können. Selbst wenn darin der Beklagten zumutbare Maßnahmen gesehen würden, komme es hierauf nicht an, weil damit die für Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung allein erhebliche Verspätung des Fluges von New York nach London nicht hätte verhindert werden können.
Kategorie: Flugrecht, 16. Januar 2019
Ansprechpartner:
- Atif Yildirim
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