Vertragsstrafe muss bei Abnahme vorbehalten werden
Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe ist – vor allem im Rahmen von Bauverträgen – gängige Praxis. Mit Blick auf ihren Umgang ist jedoch Vorsicht geboten: Ist eine Abnahme im Sinne des § 640 Absatz 1 BGB erfolgt, kann der Auftraggeber eine Vertragsstrafe nur verlangen, wenn er sich diese bei der Abnahme vorbehalten hat.
Vertragsstrafen werden in Bauverträgen meist zugunsten des Auftraggebers vereinbart, um Druck auf den jeweiligen Vertragspartner ausüben zu können, die Vertragstreue nicht zu brechen. Sie bietet insofern den Vorteil, dem jeweiligen Gläubiger im Fall eines Verstoßes eine pauschale Entschädigungszahlung zuzusprechen, ohne dass dieser etwaige Voraussetzungen für das Vorliegen eines entsprechenden Schadensersatzes nachweisen muss. Gesetzlich geregelt ist die Vertragsstrafe in den §§ 339-345 BGB. Auch in der VOB/B findet sich hierzu ein nochmals gesonderter § 11.
Die Realisierung einer Vertragsstrafe ist meist schwerer als gedacht. Häufigster Grund des Scheiterns ist oftmals das Fehlen einer überhaupt wirksamen entsprechenden Klausel. Vertragsstrafen werden zumeist nicht individuell ausgehandelt, sondern vielmehr für diverse Verträge vorformuliert. Rechtlich handelt es sich dann um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die der Kontrolle der §§ 307 ff. BGB unterliegt. Beispielsweise kann die Höhe einer solchen Klausel nicht gänzlich frei vereinbart werden; eine Begrenzung nach oben (5 % der Auftragssumme) und gegebenenfalls ein angemessener Tagessatz (max. 0,3 % der Auftragssumme) sind vorzusehen. Weiter muss die Klausel hinreichend transparent sein. Es muss also klar erkennbar sein, welcher Verstoß die Vertragsstrafe auslösen können soll.
Ein weiterer beachtlicher Wirksamkeitsgrund ist die zu weite Abweichung der Klausel von den in den §§ 339-345 BGB geregelten gesetzlichen Leitbildern (§ 307 Absatz 2 Nr. 2 BGB). Eine Klausel etwa, nach der die Vertragsstrafe nicht auf einen Schadensersatzanspruch angerechnet wird, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Klausel, mit der eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafe begründet werden soll. Es ist somit auch nicht möglich, den in § 341 Absatz 3 BGB geregelten Vorbehalt durch eine entsprechende vorformulierte Klausel vollständig abzubedingen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.07.1984, Az.: VII ZR 91/83). Hiernach kann ein Gläubiger, der die Erfüllung des Schuldners angenommen hat, die Vertragsstrafe nur verlangen, wenn er sich diese bei der Annahme vorbehalten hat. Gleiches gilt bei Werk- oder Bauverträgen; die Annahme als Erfüllung ist nichts anderes als die Abnahme im Sinne des § 640 Absatz 1 BGB, mithin die Entgegennahme des Werks als im Wesentlichen vertragsgemäß.
Zu beachten ist, dass das Erfordernis „bei Abnahme“ streng ausgelegt wird. Allenfalls ein unmittelbar vor der Abnahme erklärter Vorbehalt mag diesem Erfordernis noch genügen. So verhält es sich – laut dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 08.09.2000 – 22 U 34/00 – bei einer Vorbehaltserklärung, die zwei Tage vor der Abnahme erfolgt. Eine jedoch noch weiter zurückliegende – vorverlagerte – Vorbehaltserklärung scheidet aus. Nicht ausgeschlossen ist jedoch, die Aufrechnung mit der Vertragsstrafe vor der Abnahme zu erklären. Ist hierdurch der Anspruch auf die vereinbarte Vertragsstrafe bei der Abnahme bereits vollständig erloschen, muss in diesem Zeitpunkt kein Vorbehalt mehr erklärt werden (Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.11.2015, Az.: VII ZR 43/15).
Problematisch sind in diesem Zusammenhang insbesondere die verschiedenen – möglichen – Formen der Abnahme sowie deren dogmatische Einordnung. Die Abnahme ist „lediglich“ eine geschäftsähnliche Handlung, wohingegen der Vorbehalt eine „echte“ empfangsbedürftige einseitige Willenserklärung darstellt. Beruft sich der Auftraggeber beispielsweise in einem Prozess auf eine längst schriftlich erklärte Abnahme mit gleichzeitig erklärtem Vorbehalt, könnte dies der Auftragnehmer dankend als gegeben akzeptieren, verbunden mit dem Hinweis, dass ihm jedoch beide Erklärungen seinerzeit nicht zugegangen seien. Ferner ist unter diesem Gesichtspunkt auch zu beachten, dass unter Umständen der Auftragnehmer eine fehlende Vertretungsmacht für eine entsprechende Vorbehaltserklärung nach § 180 BGB rügen kann. Erheblich wird dieser Gesichtspunkt insbesondere, wenn die Abnahme und der – damit einhergehende – Vorbehalt durch Architekten oder Ingenieure erklärt werden soll, denen im Regelfall allerdings keine rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis eingeräumt ist.
Abnahmen werden oft nicht ausdrücklich erklärt. Häufiger sind die sogenannten stillschweigenden – das heißt durch schlüssiges Verhalten herbeigeführten – Abnahmen. Ein schlüssiges Verhalten kann etwa in der vorbehaltlosen und ungekürzten Zahlung einer Schlussrechnung gesehen werden. Auch die Nutzung des Werkes, sofern sie nicht gezwungenermaßen erfolgt oder es sich um einen „Probebetrieb“ handelt, kann eine stillschweigende Abnahme darstellen.
Die Tücke des schlüssigen Verhaltens für die Abnahme ist zugleich ein Problem für den Vorbehalt: Im Regelfall fehlt es am Bewusstsein für dessen rechtliche Relevanz. Weiß man schon nicht um die rechtliche Relevanz des eigenen Verhaltens als eine Akzeptanz der Werkleistung, erkennt man auch nicht die entsprechend einhergehende Notwendigkeit einer Erklärung des Vorbehalts.
Durchweg komplizierter macht es die dritte Form der Abnahme, die sogenannten fiktiven Abnahmen. Sie knüpfen an objektive Voraussetzungen an, ohne dass es einer Erklärung – ausdrücklich oder stillschweigend – bedarf. Eine solche wird dann vielmehr fingiert. Derartige Fiktionen sind sowohl dem BGB als auch der VOB/B bekannt. So regelt § 12 Absatz 5 VOB/B zwei dieser Formen für den Fall, dass keine Abnahme verlangt wird. Nummer 1 des vorbezeichneten Paragrafen regelt, es komme mit Ablauf von 12 Werktagen nach der schriftlichen Mitteilung über die Fertigstellung zur Fiktion der Annahme. Nummer 2 regelt die Fiktion der Abnahme nach Ablauf von sechs Werktagen, nach dem das Werk in Benutzung genommen wurde. Weiter stellt sodann Nummer 3 klar, der Vorbehalt einer Vertragsstrafe ist entsprechend dem fingierten Abnahmezeitpunkt zu erklären. Offensichtlich ist, dass dies häufig unterbleibt.
Ist daher eine Vertragsstrafe vereinbart und der Auftraggeber der Ansicht, es liege ein Verstoß seitens des Auftragnehmers vor, empfiehlt es sich eher zu früh als zu spät und mit gleichzeitigem Vorbehalt der Vertragsstrafe die Abnahme zu erklären. Selbst bei Vorliegen etwaiger Mängel ist ein entsprechendes Vorgehen nicht nachteilbehaftet für den Auftraggeber. Insbesondere muss weiterhin der Auftragnehmer im Streitfall den Nachweis der mangelfreien Leistung führen. Sollte der Auftraggeber vorhandene Mängel im Zeitpunkt der Abnahme – lediglich grob fahrlässig – nicht positiv kennen, kann er diese auch noch nach Abnahme geltend machen. Erst ab dem Zeitpunkt der Abnahme greifen die speziellen Gewährleistungsrechte der §§ 634 ff. BGB.
Kategorie: Bau- und Architektenrecht, 07. Oktober 2021
Ansprechpartner:
- Atif Yildirim
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