Baurecht: Auslegung einer Vergütungsvereinbarung über Bauleistungen mit zeitlichen Verschiebungen des Baubeginns

Baurecht: Auslegung einer Vergütungsvereinbarung über Bauleistungen mit zeitlichen Verschiebungen des Baubeginns


Der Fall: 

Die prozessführende Baufirma erhielt bei der öffentlich-rechtlich organisierten Bauherrin, unter Vereinbarung der Geltung der VOB/B den Zuschlag, bei der Errichtung eines Erweiterungsanbau eines Gymnasiums Erd-, Beton- und Verblendarbeiten durchzuführen.

Es kam während der Bauarbeiten zu Verzögerungen, deren Verantwortlichkeiten bis zuletzt strittig blieb. Nach Eskalation der Streitigkeiten wurde der Bauauftrag wechselseitig gekündigt.

Der Bauauftrag musste durch eine Drittfirma zu Ende gebracht werden.

Im Rahmen der Schlussrechnungsprüfung nahm die Beklagte verschiedene Kürzungen vor und berief sich im Übrigen auf aufrechenbare Gegenforderungen.

Die Baufirma verklagte die Bauherrin auf Zahlung des ungekürzten Restwerklohns sowie verschiedener Mehrostenpositionen, die durch die Verzögerungen auf der Baustelle entstanden sein sollen.

Mittlerweile vertreten vom Insolvenzverwalter, wurde zuletzt durch die Baufirma beantragt, die Bauherrin zu verurteilen, an sie 666.845,46 € nebst Zinsen zu zahlen und die Bürgschaftsurkunde über einen Bürgschaftsbetrag von 75.000,00 € an sie herauszugeben.

Das Landgericht Köln hat der Baufirma 180.138,79 € nebst Zinsen sowie Herausgabe der Bürgschaftsurkunde  zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Die Baufirma wehrte sich mit Einlegung der Berufung und forderte vor dem OLG die Zahlung der gesamten Summe.

Die Bauherrin legte ebenfalls Berufung ein. Diese stützt sich vor allem auf eine Fehlberechnung des Landgerichts, die in einer Abweichung von 30 Cent resultiert und im Übrigen darauf, dass die Urkunde unbestritten bereits herausgegeben worden war.

 

Die Entscheidung:

Das OLG Köln hat mit dem Urteil vom 21.12.2023- 7 U 68/22 entschieden, dass der Baufirma eine Summe von 180.138,46 € zusteht. Die Abweichung im Cent Bereich kam aufgrund eines Zahlendrehers zustande.

Der 7. Senat des OLG Köln wies die Berufung der Baufirma auf  Vergütung des gesamten Werklohns sowie der Mehrkosten ab und führte im Einzelnen dazu wie folgt aus:

Der von der Bauherrin vorgenommene Abschlag war dem Grund und  der Höhe nach berechtigt, da die Bauarbeiten zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht vollständig fertig waren und eine schlüssige Berechnung der Fertigstellungsmehrkosten durch das beauftragte Architekturbüro vorgenommen wurde.

Ebenso wurde die Erstattung behaupteter Mehrkosten, die durch die Verhinderung der Arbeiten verursacht worden seien, abgelehnt.

Die Baufirma trug diesbezüglich vor, dass sie während der Verzögerungen keine anderen Arbeiten durchführen konnte und sowohl Material als auch Personal untätig in den „Startlöchern“ standen.

Ein Anspruch nach § 642 Abs. 1 BGB wurde verneint, da hiernach nur unterlassene Mitwirkungshandlungen  während des Annahmeverzugs – nicht hingegen andere Nachteile, die erst nach diesem Zeitraum entstanden sind, entschädigt werden.

Ein Anspruch aus § 6 Nr. 6 VOB/B hätte sich nur ergeben, insofern die hindernde Umstände von der beklagten Bauherrin zu vertreten gewesen wären. Typische durch Vorunternehmer geschaffene Verzögerungen werden,  sind in der Regel nicht vom Auftraggeber zu vertreten, da der Vorunternehmer kein Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers ist, und der Auftraggeber keine besondere Einstandspflicht übernommen hat.

Auch Ansprüche aufgrund einer bauzeitändernde Anordnung nach § 2 Nr. 5 VOB/B wurde im Ergebnis abgelehnt. Allein dadurch, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer hindernde Umstände mitteilt, trifft er weder eine Anordnung noch bietet er eine Änderung der vertraglichen Vereinbarungen zur Bauzeit an.

Allerdings sieht der 7. Senat des OLG hiernach die Möglichkeit für einen Anspruch eröffnet, sofern sich im Rahmen der Vergabesystematik aufgrund einer Verschiebung des Zuschlagtermins Zeitverschiebungen ergeben, aus denen ein Schaden entsteht.

Das kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der Baubeginn fest terminiert wurde, anschließend jedoch eine Verschiebung eintritt, eine Vereinbarung  für den Fall nicht getroffen wurde und die Auslegung des Zuschlags ergibt, dass dieser auf die ausgeschriebene und damit auch angebotene Bauzeit erteilt worden ist. 

Der Zuschlag auf das unveränderte Angebot mit den wegen Zeitablaufs bereits obsolet gewordenen Fristen und Terminen ist die einzige Möglichkeit, das Vergabeverfahren sicher mit einem Vertragsschluss zu beenden.

Der Bundesgerichtshof hat deshalb bereits Erklärungen des Auftraggebers vergabekonform als Vorschlag für eine neue Bauzeit ausgelegt, über die die Parteien im Rahmen des bestehenden Vertrages  den vertragliche Vergütungsanspruch anpassen müssen.

Auf dieser Grundlage kann dem Auftragnehmer in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B ein Anspruch auf Mehrvergütung zustehen, wenn infolge der Bauzeitänderung Mehrkosten entstanden sind.

Nach Maßgabe der o.g. Rechtsprechung des BGH besteht  dem Grunde nach ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erstattung von Mehrkosten aus § 2 Nr. 5 BGB.

Der Anspruch scheiterte im vorliegenden Fall aber daran, dass der Baufirma eine substantiierte Darlegung misslang.

Kategorie: Bau- und Architektenrecht, 30. April 2024



zurück