BGH: Gerichte müssen auch ausländische Bauvorschriften prüfen
Bundesgerichtshof (BGH)
Urteil vom 25. Juni 2019 – X ZR 166/18
Der BGH hat in dem vorbezeichneten Urteil die Voraussetzungen präzisiert, unter denen ein Gericht dem Vortrag einer Partei zum Inhalt von ausländischen Sicherheitsvorschriften für Hotelzimmer nachgehen muss.
Der Kläger buchte bei der Beklagten für insgesamt sechs Personen eine einwöchige Pauschalreise nach Gran Canaria. Am Tag der Ankunft wollte der damals sieben Jahre alte Sohn der Lebensgefährtin des Klägers vom Hotelzimmer auf den Balkon laufen. Dabei prallte er gegen die Balkontür, die noch verschlossen war. Die Scheibe zerbrach und das Kind erlitt Schnittverletzungen.
Das LG wies die unter anderem auf Rückzahlung des Reisepreises, Ersatz materieller Schäden, Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit und Schmerzensgeld gerichtete Klage ab. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg.
Der für das Reiserecht zuständige X. Zivilsenat des BGH hob nun die zweitinstanzliche Entscheidung auf und wies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Dieses wird im weiteren Prozessverlauf klären müssen, ob eine Balkontür aus nicht bruchsicherem Glas den für die Hotelanlage maßgeblichen örtlichen Bauvorschriften entspricht.
Das OLG sah diese Frage als nicht entscheidungserheblich an, weil es die auf der Glastür angebrachten Markierungen – eine kleine Krone und einen dunkelblauen Punkt – als ausreichend betrachtete, um einen Hotelgast vor den von der Tür ausgehenden Gefahren zu warnen.
Der BGH ließ diese Beurteilung nur für den Fall ausreichen, dass die Tür den maßgeblichen örtlichen Bauvorschriften entspreche und damit den Sicherheitsstandard biete, den ein Hotelgast erwarten dürfe. Sollte die Tür diesem Standard nicht entsprochen haben, bestehe hingegen eine besondere Gefährdungslage, in der eine einfache Markierung auf der Scheibe nicht ausreiche.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sah der BGH den Vortrag des Klägers zu einem Verstoß gegen Bauvorschriften als hinreichend konkret an. Zwar sei es nicht Aufgabe eines Zivilgerichts, die Ursachen eines Unfalls von Amts wegen aufzuklären. Wenn ein Kläger aber einen hinreichend konkreten Sachverhalt vortrage, müsse das Gericht den Inhalt der dafür maßgeblichen in- und ausländischen Vorschriften in eigener Zuständigkeit ermitteln.
Im Streitfall trug der Kläger vor, eine Glastür für einen Balkon müsse nach den einschlägigen Sicherheitsbestimmungen so beschaffen sein, dass sie einem Anprall eines siebenjährigen Kindes nach kurzem Anlauf standhalte. Dieser Sachverhalt sei jedoch hinreichend konkret, um ihn einer rechtlichen Bewertung zuzuführen.
Kategorie: Reiserecht, 26. Juni 2019
Ansprechpartner:
- Atif Yildirim
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