BGH bestätigt seine Rechtsprechung: Keine Verwirkung beim Widerspruch bereits abgelöster Lebens- oder Rentenversicherungsverträge

BGH bestätigt seine Rechtsprechung: Keine Verwirkung beim Widerspruch bereits abgelöster Lebens- oder Rentenversicherungsverträge


Bundesgerichtshof (BGH)
Urteil vom 11.05.2016 – IV ZR 229/14

Der u. a. für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 11. Mai 2016 seine bisherige Rechtsprechung zum Widerspruch von Lebens- und Rentenversicherungsverträgen bestätigt und Verbrauchern erneut den Rücken gestärkt.

Die klagende Versicherungsnehmerin hatte durch Ihren Vater im Jahre 1998 eine fondsgebundene Rentenversicherung nach dem in § 5a VVG a. F. geregelten sogenannten Policenmodell abgeschlossen. Bis zum Jahre 2004 wurden die monatlichen Raten durch den Vater gezahlt, ehe der Vertrag auf die Klägerin umgestellt wurde. Im Jahre 2009 kündigte die Klägerin den Versicheurngsvertrag. Der Versicherer zahlte daraufhin den Rückkaufswert abzgl. eines Policendarlehens an die Klägerin aus. Ein Jahr später erklärte die Klägerin den Widerspruch nach § 5a VVG a. F. Mit ihrer Klage verlangt sie nun Rückzahlung aller bisher geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits ausgezahlten Rückkaufswertes.

Das Landgericht Köln hatte die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht Köln die hiergegen gerichtete Berufung zurück gewiesen. Es hatte angenommen, dass zwar ein Widerspruchsrecht mangels Übersendung einer Widerspruchsbelehrung bestehe, dieses aber gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig erloschen sei.

Der IV. Zivilsenat entschied daraufhin, dass der Klägerin ein Anspruch auf Prämienrückzahlung mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden kann.

Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war rechtzeitig. Die Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F ist auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn die Versicherungsnehmerin – wie hier – nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

Darüber hinaus bestätigte der Senat seine bisherige verbraucherfreundliche Linie dahingehend, dass sowohl die Kündigung des Versicherungsvertrages dem Widerspruch nicht entgegen steht als auch ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung ebenfalls nicht in Betracht kommt.

Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch der Versicherungsnehmerin jedoch nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich die Versicherungsnehmerin bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen.

Kategorie: Versicherungsrecht, 28. Juni 2016



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