BGH: Bestätigung des Grundsatzurteils vom 07. Mai 2015 – „Ewiges Widerspruchsrecht“ bei Lebens- und Rentenversicherungsverträgen nach dem „Policenmodell“

BGH: Bestätigung des Grundsatzurteils vom 07. Mai 2015 – „Ewiges Widerspruchsrecht“ bei Lebens- und Rentenversicherungsverträgen nach dem „Policenmodell“


Der u. a. für das Versicherungsrecht zuständige IV. Senat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 19. November 2014 sein Grundsatzurteil vom 07. Mai 2014 bestätigt und die Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F., wonach ein Rücktritts- oder Widerspruchsrecht spätestens 1 Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, für Lebens- und Rentenversicherungen für unanwendbar erklärt.

Der klagende Versicherungsnehmer begehrte von dem beklagten Versicherer Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung nebst Berufsunfähigkeits- Zusatzversicherung. Der Versicherungsvertrag wurde aufgrund eines Antrags des Klägers mit Vertragsbeginn zum 1. Oktober 2001 nach dem sog. „Policenmodell“ des § 5a VVG a. F. abgeschlossen. Am 9. März 2008 erklärte der Kläger die Kündigung des Vertragsverhältnisses. Der Versicherer akzeptierte diese und zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 29. August 2008 erklärte der Kläger den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Mit der Klage verlangte der Kläger Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts (insgesamt 6.488,80 €).

Die Vorinstanzen hatten den Widerspruch des Klägers aufgrund der Regelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. jeweils als verfristet angesehen und die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgte der Kläger seinen Bereicherungsanspruch weiter.

Der IV. Zivilsenat sicherte dem Kläger einen Prämienrückzahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung dem Grunde nach zu. Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schaffe keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er sei infolge des Widerspruchs nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch sei – ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist – rechtzeitig. In der maßgeblichen Widerspruchsbelehrung fehle der Hinweis, dass der Widerspruch in Textform erklärt werden muss und dass für den Beginn des Fristenlaufs  der Versicherungsnehmer nicht nur den Versicherungsschein, sondern auch die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhalten haben muss. Mithin sei der Kläger nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden.

Die vom Kläger zuvor erklärte Kündigung des Versicherungsvertrages stehe dem Widerspruch auch nicht entgegen. Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung komme ebenfalls nicht in Betracht.

Der Höhe nach umfasse der Rückgewähranspruch nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr müsse sich der Versicherungsnehmer bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes könne unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen könne etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen.

BGH, Urteil vom 19. November 2014 – IV ZR 329/14

Kategorie: Versicherungsrecht, 20. November 2014



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