BGH entscheidet über vorformulierte Bestätigung über Risikohinweise und Prospektübergabe
Bundesgerichtshof (BGH)
Urteil vom 10. Januar 2019 – III ZR 109/17
Der III. Zivilsenat des BGH entschied vor Kurzem, dass eine vorformulierte Bestätigung des Anlegers, die Risikohinweise in einem Emissionsprospekt zur Kenntnis genommen zu haben, gemäß § 309 Nr. 12 Halbs. 1 b) BGB unwirksam ist. Ferner legte der BGH in dem vorbezeichneten Urteil fest, dass ein Empfangsbekenntnis im Sinne von § 309 Nr. 12 Halbs. 2 BGB vom sonstigen Vertragstext getrennt erteilt werden muss und keine weiteren Erklärungen umfassen darf.
In dem Rechtsstreit nahm der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung in Anspruch.
Der Kläger beteiligte sich – jeweils nach Beratung durch einen seinerzeit für die Beklagte tätigen Handelsvertreter – über einen Treuhänder an drei GmbH & Co. KG.
In einer gesondert vom Kläger unterschriebenen Rubrik war unter anderem Folgendes geregelt:
„Ich habe den Beteiligungsprospekt nebst Anlagen (…) erhalten, den Inhalt insbesondere des Kapitels 05 (Risiken der Beteiligung) des Verkaufsprospekts vollinhaltlich zur Kenntnis genommen und stimme dem Inhalt der Verträge ausdrücklich zu.“
Zugleich unterzeichnete der Kläger einen „persönlichen Beraterbogen“, in dem das Datum der Prospektübergabe vermerkt war.
Der Kläger erhob Schadensersatzklage mit der Behauptung, er sei über die Risiken der Anlage nicht informiert worden. In Kenntnis der Risiken hätte er die Anlage nicht erworben.
Das LG wies die Schadensersatzklage ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das OLG das erstinstanzliche Urteil teilweise ab. Hiergegen legten beide Parteien die Revision ein.
Der BGH entschied auf die Revisionen wie folgt:
Der Anlageberater schulde eine anleger- und objektgerechte Beratung, wonach er unter Berücksichtigung des Wissenstands des Kunden und seiner persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse eine seinem Anlageziel und seiner Risikobereitschaft entsprechende Empfehlung auszusprechen und ihn in Bezug auf das Anlageobjekt rechtzeitig, richtig, sorgfältig sowie verständlich und vollständig zu beraten habe.
Eine ordnungsgemäße Anlageberatung könne dabei nicht nur mündlich, sondern auch durch die Übergabe von geeignetem Prospektmaterial erfolgen.
Der Anleger müsse sich aber mit dem Prospektinhalt vertraut machen können, weswegen er ausreichend Zeit für eine sinnvolle Auseinandersetzung damit haben müsse.
Die nicht rechtzeitige Übergabe des Emissionsprospekts habe der Anleger darzulegen und zu beweisen, wobei die Frage der „Rechtzeitigkeit“ als solche eine rechtliche Bewertung darstelle.
Welche Frist seit Empfang des Prospekts bis zum Abschluss des Anlagegeschäfts angemessen und erforderlich sei, damit der Anleger den Prospektinhalt hinreichend zur Kenntnis nehmen könne, hänge indessen maßgeblich von den Umständen des einzelnen Falls ab. Eine Regelfrist, die nach Übergabe des Prospektes einzuhalten sei, gebe es nicht. Es sei auf die Würdigung der konkreten Einzelfallumstände abzustellen, die insbesondere von der Person des Anlegers (seiner Vorerfahrung, Auffassungsgabe und Bildung) und der ihm effektiv zur Verfügung stehenden Zeit beeinflusst sein könnten.
Ferner entschied der BGH, dass die – in dem Beitrittsformular der Fondsgesellschaft enthaltene, für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte – Kenntnisnahmebestätigung als Tatsachenbestätigung gemäß § 309 Nr. 12 Halbs. 1 b ) BGB unwirksam sei.
Gemäß § 309 Nr. 12 Halbs. 1 b) BGB sei eine Bestimmung unwirksam, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändere, indem er diesen bestimmte Tatsachen bestätigen lasse. Bei der Erklärung, den Inhalt des Prospekts einschließlich der Risikohinweise zur Kenntnis genommen zu haben, handele es sich um eine Tatsachenbestätigung in Form der Wissenserklärung, die in den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 12 Halbs. 1 b) BGB falle.
Mit der abgegebenen Erklärung werde der vom Kläger zu führende Beweis der Tatsache, nicht über die Risiken des Investments aufgeklärt worden zu sein, erschwert und seine Beweisposition durch die gegen sich gerichtete Bestätigung, deren Unrichtigkeit er zu widerlegen habe, verschlechtert.
Auch das eine bloße Quittungsfunktion erfüllende Empfangsbekenntnis sei nur dann gemäß § 309 Nr. 12 Halbs. 2 BGB wirksam, wenn es gesondert unterschrieben oder mit einer gesonderten qualifizierten elektronischen Signatur versehen sei. Dies bedeute, dass es getrennt vom sonstigen Vertragstext erteilt werden, mithin räumlich und drucktechnisch deutlich abgehoben sein müsse, wobei sich die Unterschrift allein auf das Empfangsbekenntnis als rein tatsächlichen Vorgang der körperlichen Übergabe und Entgegennahme einer Sache beziehen und keine weitere Erklärung umfassen dürfe. Das sei bei der vom Kläger im konkreten Fall unterschriebenen, ausdrücklich weitere Erklärungen und Hinweise enthaltenden Empfangsbestätigung gerade nicht der Fall.
Kategorie: Prospekthaftung, 25. Februar 2019
Ansprechpartner:
- Atif Yildirim
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