BGH: Schiedsklausel im Gesellschaftsvertrag kann auch ohne einen gesonderten Schiedsvertrag wirksam sein
Bundesgerichtshof (BGH)
Beschluss vom 06.02.2020 – I ZB 44/19
Der I. Zivilsenat des BGH hatte erst vor kurzem darüber zu entscheiden, ob die Rechtsprechung diverser Oberlandesgerichte bezüglich der Auslegung einer im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Schiedsklausel divergent ist und ob eine solche, auch ohne einen noch abzuschließenden Schiedsvertrag, wirksam sein kann.
In dem zu entscheidenden Fall waren die Antragsgegnerin und die Antragstellerin ursprünglich Gesellschafter einer GmbH & Co. KG. Die Parteien schlossen eine Auseinandersetzungsvereinbarung, die eine Auflösung/Beendigung der Gesellschaft vorsah.
Der Gesellschaftsvertrag enthielt unter anderem folgende Vereinbarung:
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- 20 Schlussbestimmungen
(4) Für sämtliche aus diesem Vertrag, seine Ausführung und Auslegung und über alle aus dem Gesellschaftsverhältnis sich ergebenden Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft und einzelnen Gesellschaftern oder zwischen den Gesellschaftern soll unter Ausschluss des ordentlichen Gerichtsweges ein Schiedsgericht entscheiden. Hierüber werden die Parteien einen gesonderten Schiedsvertrag vereinbaren. Im Übrigen wird als Gerichtsstand Köln, soweit dies zulässig vereinbart werden kann, festgelegt.
Der in dem Gesellschaftsvertrag vorgesehene gesonderte Schiedsvertrag wurde jedoch nicht abgeschlossen.
Die Antragsgegnerin machte diverse Ansprüche wegen Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit der Auflösung/Beendigung der Gesellschaft gerichtlich geltend. Im Rahmen des Rechtsstreits benannte sie einen Schiedsrichter und forderte die Gegenseite auf, ihrerseits einen Schiedsrichter zu benennen.
In einem gesonderten Verfahren vor dem OLG begehrte die Antragsgegnerin sodann die Bestellung eines Schiedsrichters für die Antragstellerin. Das OLG gab diesem Antrag statt.
Das OLG nahm an, in dem Gesellschaftsvertrag sei wirksam eine Schiedsklausel im Sinne von § 1029 ZPO vereinbart worden. Dass die Parteien den in Satz 2 vorgesehenen gesonderten Schiedsvertrag nicht abgeschlossen hätten, stehe der Wirksamkeit der Vereinbarung nicht entgegen. Zu unterscheiden sei, ob die Parteien in Satz 1 lediglich einen Vorvertrag geschlossen oder sich bereits mit dem dafür erforderlichen Rechtsbindungswillen darauf geeinigt hätten, den Weg zu den staatlichen Gerichten auszuschließen. Dafür, dass die Klausel als nicht bindend gemeint gewesen sei, sei nichts vorgetragen und auch sonst nichts ersichtlich. Insbesondere sei nichts dafür ersichtlich, dass ein gesonderter Schiedsvertrag deshalb nicht abgeschlossen worden wäre, weil die Parteien davon ausgegangen wären, sich noch nicht bindend einer Schiedsvereinbarung unterworfen zu haben. Vielmehr sei davon auszugehen, dass dies aus Nachlässigkeit oder im Vertrauen darauf unterblieben sei, die wesentlichen Punkte bereits geregelt zu haben.
Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde vor dem BGH erwies sich als unzulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH erfordert. Hierzu führte der BGH im Einzelnen wie folgt aus:
Die Rechtsbeschwerde wurde damit begründet, dass eine Divergenz vorliege. Das OLG habe sich einem Beschluss des Kammergerichts angeschlossen, in dem der Rechtssatz aufgestellt worden sei, die Durchführung des Hauptvertrags spreche dafür, dass die Schiedsabrede trotz des Vorbehalts im Zeitpunkt ihres Abschlusses, noch weitere Vereinbarungen zur Schiedsabrede treffen zu wollen, ausreiche, um der Schiedsabrede zum Durchbruch zu verhelfen. Das OLG Hamm habe demgegenüber in einem Beschluss den Rechtssatz aufgestellt, die Durchführung des Hauptvertrags allein reiche nicht, um der Schiedsabrede zur Geltung zu verhelfen, wenn in deren Rahmen noch weitere Vereinbarungen hätten niedergelegt werden sollen.
Damit könne die Rechtsbeschwerde nicht durchdringen. In den zitierten Entscheidungen werden die behaupteten Rechtssätze nicht aufgestellt. Sowohl das Kammergericht als auch das OLG Hamm hätten die in ihren Verfahren maßgeblichen Schiedsklauseln gemäß §§ 133, 157 BGB ausgelegt und sind zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt. Abstrakte Rechtssätze hätten sie dabei nicht aufgestellt. Die unterschiedliche Auslegung unterschiedlicher Vertragsklauseln begründe keine Divergenz.
Das Kammergericht hat ausgeführt, die Zweifelsregel des § 154 Abs.1 Satz 1 BGB sei nicht anwendbar, wenn die Parteien sich trotz der noch offenen Punkte erkennbar vertraglich binden wollten. Eine solche Bindung hat es für den streitigen Sozietätsvertrag angenommen und dabei (insbesondere) auf die begonnene Durchführung des Vertrags abgestellt.
Das OLG Hamm hatte in seinem Verfahren eine Schiedsvereinbarung zu beurteilen, die vorsah, dass die Parteien sich einem Schiedsgericht „nach Maßgabe anliegender Schiedsurkunde, die Vertragsbestandteil ist“, unterwerfen. Bei der erforderlichen Auslegung hat es keine tragfähigen Anhaltspunkte für die Annahme gesehen, dass die Parteien sich auch ohne den noch offenen Punkt binden wollten. Der Aufrechterhaltung der Vereinbarung unter Geltung des dispositiven Gesetzesrechts stehe entgegen, dass der Inhalt der Vereinbarung dafür spreche, dass die Parteien die unveränderte Anwendung des Gesetzesrechts gerade nicht vereinbaren wollten. Es könne daher nicht von einem Bindungswillen betreffend die Schiedsabrede ungeachtet der fehlenden Schiedsurkunde ausgegangen werden. Der Umstand, dass der Hauptvertrag in Vollzug gesetzt worden sei, stehe dieser Beurteilung nicht entgegen. Daraus lasse sich nur der Schluss ableiten, dass der Vertrag mit den sonstigen Regelungen gelten sollte. Hinsichtlich der Schiedsabrede gebe es dagegen keine Äußerung oder Handlung der Parteien, die auf den übereinstimmenden Willen schließen ließe, die Schiedsabrede solle trotz Fehlens einer gesonderten Schiedsurkunde gelten.
Eine Divergenz lasse sich aus diesen Entscheidungen nicht ableiten, denn es handele sich jeweils um eine tatgerichtliche Auslegung im Einzelfall. Auch das hiesige OLG habe vielmehr allein die Schiedsvereinbarung ausgelegt und dabei auch nicht auf eine begonnene Durchführung des Hauptvertrags abgestellt.
Die Rechtssache erfordere auch keine Entscheidung des BGH zur Fortbildung des Rechts. Die Frage, ob die Vertragsparteien trotz des Hinweises auf einen gesondert abzuschließenden Schiedsvertrag bereits eine wirksame Schiedsvereinbarung getroffen haben, ist eine Frage des Einzelfalls und von den Tatgerichten durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 154 Abs.1 Satz1 BGB zu ermitteln. Entscheidend ist, ob sich aus der Vereinbarung der Wille der Parteien ergibt, Rechtsstreitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis unter Ausschluss der staatlichen Gerichte einem Schiedsgericht zuzuweisen.
Kategorie: Gesellschaftsrecht / Handelsrecht, 19. März 2020
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- Atif Yildirim
- Matthias Ecks
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