BGH: Über die Erbenhaftung des Fiskus für Wohngeldschulden in einer Wohnungseigentümergemeinschaft

BGH: Über die Erbenhaftung des Fiskus für Wohngeldschulden in einer Wohnungseigentümergemeinschaft


Bundesgerichtshof (BGH)
Urteil vom 14. Dezember 2018 – V ZR 309/17

Der BGH hat heute entschieden, dass der Fiskus (die öffentliche Hand), der zum gesetzlichen Alleinerben eines Wohnungseigentümers berufen ist, für die nach dem Erbfall fällig werdenden oder durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft begründeten Wohngeldschulden in aller Regel nur mit dem Nachlass haftet.

Die Beklagte ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Das klagende Land ist gesetzlicher Alleinerbe eines verstorbenen Wohnungseigentümers. Das Land zog zunächst die Mieten des seinerzeitigen Mieters der Wohnung ein und zahlte an die WEG Wohngeld für die streitgegenständlichen Monate. Der Mieter kündigte jedoch und räumte die Wohnung. Das Land teilte der WEG mit, die Wohnung bis zur Veräußerung selbst zu verwalten. Auf Antrag des Landes eröffnete das Insolvenzgericht sodann das Insolvenzverfahren über den Nachlass des Erblassers. Der eingesetzte Insolvenzverwalter gab die Eigentumswohnung aus der Insolvenzmasse frei. Das Insolvenzverfahren wurde im Anschluss aufgehoben. Auf Antrag der WEG wurde die Wohnung zwangsversteigert.

Unterdessen erwirkte die WEG gegen das klagende Land drei Anerkenntnisurteile betreffend das Wohngeld für einen späteren Zeitraum. Aus diesen Urteilen, in denen dem Land jeweils die beschränkte Erbenhaftung vorbehalten wurde, betreibt die WEG die Zwangsvollstreckung. Mit der Klage (Vollstreckungsgegenklage) wollte das Land gestützt auf die sog. Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 Abs. 1 BGB erreichen, dass die Zwangsvollstreckung in sein nicht zum Nachlass gehörendes Vermögen für unzulässig erklärt wird.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der WEG hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des BGH hat der Revision stattgegeben und das Urteil des LG aufgehoben. Bei den titulierten Wohngeldschulden handele es sich nicht um Eigenverbindlichkeiten des klagenden Landes, sondern um Nachlassverbindlichkeiten, die das Land grundsätzlich zur Erhebung der Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 Abs. 1 BGB berechtigen.

Andere Erben als der Fiskus haften nach der Rechtsprechung des Senats für die nach dem Erbfall fällig werdenden Wohngeldschulden spätestens dann auch mit ihrem eigenen Vermögen, wenn sie die Erbschaft angenommen hätten oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen sei. Dies lasse sich auf die Haftung des zum gesetzlichen Alleinerben berufenen Fiskus nicht übertragen, weil ihm gemäß § 1942 Abs. 2 BGB das Recht versagt sei, die Erbschaft auszuschlagen.

Ob ein Verhalten des Fiskus die Qualifizierung der Wohngeldschulden als Eigenverbindlichkeit rechtfertige, müsse deshalb unter Berücksichtigung des Zwecks und der Besonderheiten des Fiskalerbrechts nach anderen Kriterien bestimmt werden. Hiernach stellen Wohngeldschulden in aller Regel nur Nachlassverbindlichkeiten dar. Der Fiskus nehme eine Ordnungsfunktion wahr. Herrenlose Nachlässe sollen vermieden und eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung soll gesichert werden. In aller Regel werde der Fiskus deshalb bei seinen Handlungen nur seiner gesetzlichen Aufgabe nachkommen, den Nachlass abzuwickeln.

Nur wenn der Fiskus seine Rolle als Nachlassabwickler verlasse, er also zu erkennen gebe, die Wohnung zu eigenen Zwecken nutzen zu wollen, sei es gerechtfertigt, die Wohngeldschulden als Eigenverbindlichkeiten zu qualifizieren, bei denen eine Haftungsbeschränkung ausgeschlossen sei. Die Wohnungseigentümergemeinschaft werde durch die Annahme einer Nachlassverbindlichkeit nicht unangemessen benachteiligt. Sie könne nämlich in der Regel ihre Rechte im Wege der Zwangsversteigerung effektiv durchsetzen, weil die Wohngeldansprüche in dem Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG bevorrechtigt seien und den Rechten der nachfolgenden Rangklassen – insbesondere denjenigen von Kreditgebern und Vormerkungsberechtigten – vorgehen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze fehle es hier an einem Verhalten des klagenden Landes, das über die Wahrnehmung der Aufgaben der Verwaltung und der Abwicklung des Nachlasses hinausgehe und den Schluss zulasse, der Kläger wolle die Wohnung für eigene Zwecke nutzen.

Kategorie: Erbrecht, Immobilienrecht, 14. Dezember 2018



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