BGH: Wer muss die Übergabe eines Emissionsprospektes beweisen?

BGH: Wer muss die Übergabe eines Emissionsprospektes beweisen?


Bundesgerichtshof (BGH)
Urteil vom 19. Oktober 2017 – III ZR 565/16

Der III. Zivilsenat des BGH hatte in einem kapitalanlagrechtlichen Fall darüber zu entscheiden, welche Partei in welchem Umfang Tatsachen bezüglich einer rechtzeitigen Übergabe des Emissionsprospektes darlegen und beweisen muss.

Der Kläger beteiligte sich an einem von der Beklagten betriebenen Schiffsfonds. In der Beitrittserklärung unterschrieb er in einem Empfangsbekenntnis, ein Exemplar des Verkaufsprospekts der Beklagten vor der Unterzeichnung der Beitrittserklärung erhalten zu haben. Ob ihm der Emissionsprospekt tatsächlich übergeben worden war, war zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger nahm sodann die Beklagte wegen fehlerhafter Beratung bezüglich der Höhe der Vertriebsprovisionen auf Schadensersatz in Anspruch. Zur Begründung seines Anspruchs trug er vor, ihm seien die für den Beitritt erforderlichen Informationen hinsichtlich der Höhe der Provisionen durch die fehlende Übergabe des Prospekts vorenthalten worden. Die Beklagte habe dadurch ihre Aufklärungspflicht verletzt.

Der BGH hat hier entschieden, dass eine rechtzeitige Prospektübergabe (als Mittel der Aufklärung über die Höhe der Provisionen) zwischen den Parteien stattgefunden hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat der Anleger darzulegen und zu beweisen, dass der Emissionsprospekt ihm nicht rechtzeitig übergeben worden ist. Die mit diesem Nachweis verbundenen Schwierigkeiten werden grundsätzlich dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die fehlende Übergabe substantiiert bestreiten muss. In diesem Sinne muss sie darlegen, wann und unter welchen Umständen sie den Prospekt übergeben haben will. Diese Darlegung muss ihr jedoch möglich und zumutbar sein.

Wenn dem Anlageberater die Darlegung des Zeitpunkts und der Umstände der Übergabe des Prospekts nicht möglich und zumutbar ist, kann die Übergabe des Emissionsprospekts im Ausnahmefall auch auf andere Weise substantiiert vorgetragen werden. Der Anlageberater kann insbesondere auf ein den Erhalt des Prospekts bestätigendes, nach § 309 Nr. 12 Hs. 2 BGB wirksames Empfangsbekenntnis Bezug nehmen.

Sollte ein solcher Ausnahmefall nicht gegeben sein und begegnet auch die nicht beweisbelastete Partei – mit zumutbarem Aufwand nicht überwindbaren – Schwierigkeiten, sodass der entscheidungserhebliche Sachverhalt von keiner Partei aufgeklärt werden kann, geht dies zu Lasten der Partei, die die Darlegungslast trägt. Das ist, soweit die Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten betroffen ist, der Anspruchsteller und hier in concreto der Anleger. Somit verbleibt es bei der ursprünglichen Darlegungs- und Beweislast des Anlegers, dass ihm der Prospekt überhaupt nicht bzw. nicht rechtzeitig übergeben worden ist.

Das Verfahren hat der BGH zurückverwiesen. Die Entscheidung wird jedoch in der Praxis erhebliche Bedeutung für viele kapitalanlagerechtliche Verfahren haben, da seitens des vermeintlich fehlerhaft beratenen Anlegers üblicherweise behauptet wird, den Emissionsprospekt nicht rechtzeitig vor der Zeichnungsentscheidung erhalten zu haben.

Kategorie: Anlageberatung, Bank- und Kapitalmarktrecht, Prospekthaftung, 30. November 2017



zurück