BGH: Widerspruch von Lebens- und Rentenversicherungen auch noch Jahre später möglich – Kündigung steht Widerspruch nicht entgegen

BGH: Widerspruch von Lebens- und Rentenversicherungen auch noch Jahre später möglich – Kündigung steht Widerspruch nicht entgegen


Der u. a. für das Versicherungsrecht zuständige IV. Senat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 16. Oktober 2013 entschieden, dass eine Widerspruchsbelehrung, welche sich nicht deutlich vom übrigen Vertragstext absetzt, nicht deutlich hervorgehoben ist und demnach die Frist zur Ausübung des Widerspruchsrechts des Versicherungsnehmers nicht in Gang setzt. Zudem steht eine zuerst erklärte Kündigung eines Versicherungsvertrages einem zeitlich späteren Widerspruch desselben Vertrages nicht entgegen.

Der Kläger schloss im Jahre 1993 einen Lebensversicherungsvertrag bei der Beklagten ab. Im Rahmen des Antragsformulars befand sich in einem Absatz neben verschiedenen Hinweisen eine Widerspruchsbelehrung.  Zwischen diesem Absatz und der Unterschriftszeile befand sich zudem ein weiterer Absatz mit anderen Informationen. Beide Absätze waren weder durch die Schriftgröße noch durch Fettdruck hervorgehoben. Im Februar 2000 kündigte der Kläger die Lebensversicherung, woraufhin die Beklagte ihm 3.240,17 DM als Rückkaufswert auszahlte. Zehn Jahre später erklärte der Kläger den Widerspruch des Lebensversicherungsvertrages und begehrte die Rückzahlung aller geleisteten Prämien zzgl. Anlagezinsen abzgl. des ausgezahlten Rückkaufswertes. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Widerspruchsbelehrung im Antragsformular fehlerhaft sei, da nicht gewährleistet sei, dass der Antragsteller hiervon Kenntnis nehme. Daher habe die Widerspruchsfrist nicht zu laufen begonnen.

Das Landgericht wies die Klage ab. Auch die Berufung des Klägers vor dem Oberlandesgericht blieb erfolgslos. Zwar erachtete der Bundesgerichtshof die Revision als unbegründet und erklärte das Berufungsurteil im Ergebnis als richtig. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sah der Senat es jedoch als erwiesen an, dass der Kläger nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden sei, sodass die Frist zur Ausübung des Widerspruchsrecht noch nicht zu laufen begonnen habe. Eine Widerspruchsbelehrung müsse inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein muss. Weiter erfordere der Sinngehalt des Wortes „Belehrung“, dass eine solche eine entsprechende Form habe, die dem Aufklärungsziel Rechnung trage. Deshalb könne nur eine Erklärung, die darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das Wissen, um das es geht, zu vermitteln, als Belehrung angesehen werden. Ausgehend von diesen Grundsätzen genüge die Form der Belehrung im Antragsformular diesen Anforderungen nicht; sie sei zur Aufklärung des Versicherungsnehmers über sein Widerspruchsrecht nicht geeignet. Die Belehrung ist am Ende eines längeren Absatzes abgedruckt, der weitere Informationen, unter anderem über das Erfordernis wahrheitsgemäßer Angaben, über die Unzweckmäßigkeit der Aufgabe einer bestehenden Versicherung, über die Verwendung der Beiträge und über die Entwicklung der Rückkaufswerte enthält. Innerhalb dieses Absatzes ist der Hinweis auf das Widerspruchsrecht nicht hervorgehoben; vielmehr ist der Absatz insgesamt fettgedruckt. Der Hinweis steht nicht unmittelbar über der Unterschrift des Versicherungsnehmers, sondern ihm folgt noch ein weiterer, ebenfalls fettgedruckter Absatz mit Hinweisen auf die auf der Rückseite abgedruckten Erklärungen und Informationen zu den einzelnen Versicherungsarten. Weder der Fettdruck noch die Stellung der Belehrung im Antragsformular würden daher ausreichen, um eine Kenntnisnahme des Versicherungsnehmers hiervon zu gewährleisten.

Ferner macht der Senat darauf aufmerksam, dass eine zuerst erklärte Kündigung des Versicherungsvertrages einen späteren Widerspruch nicht zwangsläufig ausschließe. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn der Versicherungsnehmer sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerspruch bereits mangels ausreichender Belehrung über sein Widerspruchsrecht nicht sachgerecht ausüben konnte. Bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerspruchsrecht sei nicht sichergestellt, dass dem Versicherungsnehmer zur Zeit der Kündigung bewusst ist, neben dem Kündigungsrecht ein Recht zum Widerspruch zu haben, um so die Vor- und Nachteile einer Kündigung gegen die eines Widerspruchs abwägen zu können.

BGH, Urteil vom 16. Oktober 2013 – IV ZR 52/12

Kategorie: Versicherungsrecht, 17. Oktober 2013



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