BGH zu den Voraussetzungen der Gewährung von Restschadensersatz bei EU-Reimport im sog. „Dieselskandal“

BGH zu den Voraussetzungen der Gewährung von Restschadensersatz bei EU-Reimport im sog. „Dieselskandal“


Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 13.06.2022 – VIa ZR 680/21

Der BGH hat entschieden, dass die Grundsätze für den Erwerb von Neuwägen mit Bezug zum sog. „Dieselskandal“ über einen Händler ohne Bezug zum EU-Ausland (BGH, Urteil vom 21.03.2022 – VIa ZR 275/21) auch für den Erwerb im Wege des EU-Reimports gelten. Die Beteiligung eines weiteren Zwischenhändlers, der im EU-Ausland ansässig ist, schließe eine Vermögensverschiebung vom geschädigten Erwerber zum Fahrzeughersteller im Sinne der §§ 826, 852 Satz 1 BGB nicht aus.

Für die Beantwortung der Frage danach, ob nach bereits eingetretener Verjährung eines Schadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 31 BGB, der geschädigte Erwerber einen Anspruch gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB gegen den Fahrzeughersteller geltend machen kann, komme es darauf an, ob der Fahrzeugerwerb des geschädigten Erwerbers zu einem korrespondierenden Vermögenszuwachs beim Fahrzeughersteller geführt hat. Das ist nur dann der Fall, wenn weder der inländische Händler, noch der ausländische Zwischenhändler das Fahrzeug zuvor unabhängig von einer Bestellung des geschädigten Erwerbers auf eigene Kosten und eigenes Absatzrisiko erworben haben.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger bestellte im August 2014 einen Neuwagen des Typs VW Tiguan zu einem Preis in Höhe von € 30.000,- bei einem deutschen Händler als EU-Reimport. Das Fahrzeug wurde dem Kläger im Oktober 2014 mit einer EG-Übereinstimmungsbescheinigung und einer Laufleistung von 0 km übergeben. Der deutsche Händler hatte seinerseits das Fahrzeug von einem Händler eines anderen EU-Mitgliedstaates erworben, welcher es wiederum seinerseits von der Beklagten erworben hatte.

Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeuges und des darin verbauten Dieselmotors der Baureihe EA 189. Der Motor war mit einer Software ausgestattet, die hinsichtlich der Abgasrückführung zwischen Prüfstand und gewöhnlichem Fahrbetrieb unterschied. Somit wurden die Emissionsgrenzwerte für Stickoxide nur auf dem Prüfstand eingehalten. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) beanstandete die Software im Jahr 2015. Daraufhin entwickelte die Beklagte ein Software-Update, das vom BKA zugelassen wurde. Die Beklagte informierte den Kläger im Februar 2016 über die Betroffenheit seines Fahrzeuges. Der Kläger ließ sodann im November 2016 das Software-Update aufspielen.

Der Kläger beantragte in erster Instanz, die Beklagte sowohl zur Zahlung von € 30.000,- nebst Zinsen und abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs, als auch zur Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu verurteilen und den Annahmeverzug der Beklagten festzustellen. Das Landgericht (LG) hat die Klage abgewiesen.

Im Wege der Berufung begehrte der Kläger nunmehr hilfsweise, die Beklagte zur Zahlung von € 7.500,- ohne Zug-um-Zug-Vorbehalt zu verurteilen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte gemäß dem Hilfsantrag ohne Zug-um-Zug-Vorbehalt verurteilt, an den Kläger € 2.250,- zu zahlen. Dabei hat das Berufungsgericht angenommen, die Beklagte sei dem Grunde nach gemäß §§ 826, 31 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Dieser sei auf Rückgängigmachung des Kaufvertrags über das Fahrzeug gerichtet, seinerseits jedoch bereits verjährt. Die Beklagte habe aber sodann gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB den Kaufpreis herauszugeben, den sie auf Kosten des Klägers erlangt hat, soweit er ihr nach Abzug der Herstellungskosten und Händlermage verblieben sei. Der Umstand, dass der Kläger das Fahrzeug nicht unmittelbar von der Beklagten, sondern über einen Händler als reimportierten EU-Neuwagen erworben hat, schließe die Anwendung der vorbenannten Vorschriften nicht aus. Auch in diesem Falle habe die Beklagte bei wirtschaftlicher Betrachtung  den Kaufpreis auf Kosten des Klägers erlangt, gleichwohl sie ihn unmittelbar von dem erwerbenden Händler erhalten hat.

Die von der Beklagten eingelegte Revision, mit der sie weiter die Zurückweisung der Berufung des Klägers verfolgt, hatte Erfolg. Auch die von dem Kläger eingelegte Anschlussrevision, mit der er seine o.g. Berufungsanträge weiter geltend macht, hatte Erfolg. Die vorbenannten Rechtsmittel führten zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die Annahme des Berufungsgerichts, der dem Grunde nach bestehende Anspruch gemäß §§ 826, 31 BGB sei verjährt, halte der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen reichten jedoch nicht aus, einen Anspruch des Klägers gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB zu bejahen.

Wie der BGH es bereits mit Urteil vom 21.03.2022 (VIa ZR 275/21) entschied, hänge die Frage, ob der Erwerber nach bereits eingetretener Verjährung des Anspruchs gemäß §§ 826, 31 BGB einen Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB geltend machen kann, von den Umständen des Einzelfalls ab. Liegt dem Neuwagenkauf eines geschädigten Erwerbs bei einem Händler die Bestellung des Fahrzeugs durch den Händler bei dem Fahrzeughersteller zugrunde und schließen der Fahrzeughersteller und Händler einen Kaufvertrag über das Fahrzeug, aus dem der Fahrzeughersteller gegen den Händler einen Anspruch auf Zahlung des Händlereinkaufspreises hat, besteht dem Grunde nach der Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB. Denn der schadensauslösende Vertragsschluss zwischen dem Händler und dem Erwerber einerseits und die Entstehung des Anspruchs auf Zahlung des Händlereinkaufspreises des Fahrzeugherstellers andererseits auf derselben Vermögensverschiebung beruhen (wenn auch nur mittelbar).

Hat der Händler hingegen das Fahrzeug unabhängig von einer Bestellung eines Erwerbers vor einem Weiterverkauf auf eigene Kosten und eigenes Absatzrisiko erworben, fehlt es an einem erforderlichen Zurechnungszusammenhang. Sodann bestünde nach Verjährung des Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB auch kein Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB.

Diese Grundsätze gelten – wie für den Erwerb von Neuwagen über einen Händler ohne Bezug zum EU-Ausland – auch für den Erwerb im Wege des EU-Reimports. Die Beteiligung eines weiteren Zwischenhändlers, der im EU-Ausland ansässig ist, schließe eine Vermögensverschiebung vom geschädigten Erwerber zum Fahrzeughersteller im Sinne der §§ 826, 852 Satz 1 BGB nicht aus. Erforderlich sei jedoch, dass der Fahrzeugerwerb des geschädigten Erwerbers zu einem korrespondierenden Vermögenszuwachs beim Fahrzeughersteller geführt hat. Das sei nur dann der Fall, wenn weder der inländische Händler, noch der ausländische Zwischenhändler das Fahrzeug zuvor unabhängig einer Bestellung des geschädigten Erwerbers auf eigene Kosten und eigenes Absatzrisiko erworben haben.

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 092/2022 vom 13.06.2022

Kategorie: Abgasskandal, 27. Juni 2022



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