Für die Vergütung der Werkleistung ist der im Zeitpunkt der Abnahme gültige Mehrwertsteuersatz relevant
Landgericht (LG) Ellwangen
Urteil vom 31.03.2023 – 6 O 121/22
Das LG Ellwangen hat entschieden, dass der Besteller klimatechnischer Anlagen sich nicht auf die geringere Umsatzsteuerpflicht nach dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz berufen kann, wenn lediglich die Inbetriebnahme im steuermindernden Zeitraum erfolgt ist. Bei Bau- und Werkverträgen ist erst im Zeitpunkt der Abnahme von der Vollendung der Werkleistung auszugehen, sodass sich die Bemessung der Umsatzsteuer in der Regel nach dem im Zeitpunkt dieser Abnahme geltenden Mehrwertsteuersatz richtet.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Geklagt hatte ein Unternehmen der Lüftungs- und Klimatechnik. Das Unternehmen wurde von der Beklagten, einer Klinikbetreiberin, am 09.06.2020 mit dem Umbau und der Sanierung des Speisesaals eines Krankenhauses zu einem Festpreis zuzüglich Mehrwertsteuer in Höhe von (derzeit) 19 % beauftragt. Am 06.11.2020 wurden die Räumlichkeiten samt Lüftungsanlagen von der Beklagten in Betrieb genommen. Nach Besichtigung von Mängeln erfolgte mit Schreiben vom 23.12.2020 die Ablehnung der Abnahme. Sodann erfolgte am 01.03.2021 die förmliche Abnahme der Werkleistung.
Mit Schlussrechnung vom 29.03.2021 rechnete die Klägerin den restlichen Werklohn zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer ab. Die Beklagte verweigerte daraufhin die Zahlung der Schlussrechnung mit der Begründung, die Klägerin habe mit Blick auf die Umsatzsteuersenkung durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz lediglich 16 % Mehrwertsteuer ansetzen dürfen. Die Ausführung der Leistung beurteile sich allein nach § 13 Absatz 1 Nummer 1a Satz 1 UstG. Demnach sei steuerrechtlich auf die Inbetriebnahme am 06.11.2020 abzustellen. Die Klägerin dagegen beruft sich für den relevanten Fertigstellungszeitpunkt auf die Abnahme im Frühjahr 2021.
Die Klage auf Zahlung des restlichen Werklohns zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer war am LG Ellwangen erfolgreich.
Das Gericht führte aus, die Bemessung der Umsatzsteuer im Rahmen von Bauverträgen richte sich in der Regel nach dem Zeitpunkt der Abnahme als Vollendungszeitpunkt der Werkleistung. Das Werk sei im hiesigen Fall im Zeitpunkt der coronabedingt befristeten Senkung der Umsatzsteuer auf 16 % trotz Entgegenahme durch die Beklagte noch nicht als vollendet anzusehen. Sofern der Unternehmer (hier die Klägerin) verpflichtet sei, ein Werk zu erstellen, dessen Tauglichkeit und Mangelfreiheit vom Besteller durch eine äußere Prüfung nicht oder nur schwer festgestellt werden könne, lasse sich aus der Entgegennahme nicht ohne Weiteres auf die Billigung des Werks schließen, sodass hierin keine konkludente Abnahme gesehen werden könne, die relevanter Vollendungszeitpunkt sei.
Die Entgegennahme leite erst eine Probephase ein, an deren Ende sodann die Abnahme stehe, wenn der Besteller das Werk nicht ablehne. Eine solche Ablehnung erfolgte unmissverständlich mit Schreiben vom 23.12.2020. Das Werk sei erst mit dem Zeitpunkt der förmlichen Abnahme vollendet. Die förmliche Abnahme sei vorliegend am 01.03.2021 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt galt wieder der reguläre Mehrwertsteuersatz in Höhe von 19 %. Die Klägerin habe daher einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Vergütung zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer gemäß § 631 Absatz 1 BGB in Verbindung mit dem Bauvertrag.
Dem stünde auch nicht entgegen, dass sich die Klägerin an den in den zwischenzeitlich von ihr ausgestellten Abschlagsrechnungen ausgewiesenen 16 % Umsatzsteuer festhalten lassen müsse. Zum Ansatz der 16 % war die Klägerin im gegenständlichen Zeitpunkt berechtigt, da hier noch nicht feststand, dass die Werkleistung der Klägerin tatsächlich erst im Jahr 2021 vollendet würde. Da dies letztlich der Fall gewesen sei, müsse spätestens mit der Schlussrechnung – wie vorliegend geschehen – die Rechnungskorrektur erfolgen.
Kategorie: Bau- und Architektenrecht, 07. August 2023
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