Gestaffelte Fälligkeitszeitpunkte können auch konkludent vereinbart werden

Gestaffelte Fälligkeitszeitpunkte können auch konkludent vereinbart werden


Kammergericht (KG) Berlin, Urteil vom 26.04.2022 – 21 U 1030/20

Das KG Berlin hat entschieden, dass insbesondere bei einem Werk- oder Architektenvertrag die Parteien die gesonderte Fälligkeit von Teilleistungen vereinbaren können, die nicht am Ende der Vertragsdurchführung stehen, sondern einen Zwischenerfolg darstellen. Eine solche Vereinbarung kann auch konkludent getroffen werden und setzt nicht voraus, dass die Parteien kalendermäßig eine Frist oder einen Termin bestimmt haben. Der Fälligkeitszeitpunkt der Teilleistung ist sodann gegebenenfalls durch  Auslegung, notfalls mit Hilfe der Vermutung des § 271 Absatz 1 BGB zu bestimmen. Erbringt ein Werkunternehmer eine Teilleistung zum Fälligkeitszeitpunkt nicht, kann der Besteller unter den Voraussetzungen des § 323 Absatz 1 BGB vom Vertrag zurücktreten beziehungsweise ihn aus wichtigem Grund kündigen. Auf § 323 Absatz 4 BGB kommt es hierbei nicht an. Ein Zivilgericht kann den Streit zwischen zwei Prozessparteien über den von einem Architekten erreichten Leistungsstand und die Höhe des sich daraus ergebenden Honorars in geeigneten Fällen ohne Hinzuziehung eines Honorarsachverständigen nach freier Überzeugung entscheiden (§ 287 Absatz 2 ZPO).

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger ist Architekt. Die Beklagte plante im Jahr 2013 das Dachgeschoss eines Wohngebäudes zu zwei Wohnungen auszubauen und diese im Anschluss zu verkaufen. Mit der Planung hierfür beauftragte die Beklagte den Kläger und wies darauf hin, dass ihr ein möglichst zeitnaher Baubeginn wichtig sei. Im Verlauf der Monate Januar bis März 2014 erbrachte der Kläger Leistungen, wie etwa Grundrisszeichnungen und Schnitte, und stand dabei im Austausch mit der Beklagten. Die Beklagte verhandelte zu dieser Zeit bereits mit Kaufinteressenten und gab dem Kläger aus diesem Grund unter anderem auf, den Grundriss einer der beiden Dachgeschosswohnung zu ändern. Am 30.03.2014 hielt die Beklagte dem Kläger in einem per Mail übermittelten Schreiben vor, er erbringe seine Leistungen nicht wie zugesagt termingerecht, ihr sei deshalb ein Käufer abgesprungen und sie habe „erhebliche Bedenken“, ihn „weiterhin mit der Ausführungsplanung und weiteren Leistungen zu betrauen“. Unter anderem fehlte aus ihrer Sicht die „Funktionalbeschreibung“ für Verhandlungen mit Bauunternehmen sowie die Ausführungsplanung. Die Beklagte setzte dem Kläger in diesem Schreiben eine Frist für die beiden o.g. Leistungen bis zum 04.04.2014.

Am 04.04.2014 übermittelte der Kläger der Beklagten diverse Pläne und teilte mit, dass es sich dabei um die Ausführungsplanung handele. Am 09.04.2014 teilte die Beklagte dem Kläger per Einwurfeinschreiben und vorab per Mail mit, sie habe sich entschieden, „die weitere Umsetzung des Bauvorhabens mit einem anderen Architekten zu realisieren“. Zur Begründung bezog sie sich auf Unzulänglichkeiten und die Verzögerung der o.g. geforderten Leistungen des Klägers. Der Kläger widersprach den Beanstandungen der Beklagten mit Schreiben vom 10.04.2014 und übermittelte ihr eine Rechnung über seine „komplette Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen“, der die Beklagte nicht nachkam.

Der Kläger begehrte nunmehr im Klagewege die Zahlung des ausstehenden vereinbarten Gesamthonorars.

Nach Auffassung des KG Berlin habe die Beklagte den Architektenvertrag mit dem Kläger wirksam aus wichtigem Grund mit Schreiben vom 09.04.2013 gekündigt. Der Kläger habe die Voraussetzungen einer Kündigung aus wichtigem Grund erfüllt, indem er der Beklagten bis zu ihrer Kündigung keine komplette und detaillierte Leistungsbeschreibung für ihr Bauvorhaben übermittelte.

Die Pflicht des Klägers, der Beklagten die zeichnerische Ausführungsplanung und eine detaillierte Leistungsbeschreibung für ihr Vorhaben zukommen zu lassen, war jedenfalls am 03.03.2014 fällig. Es könne dahinstehen, ob die Parteien für die Fälligkeit von Ausführungsplanung und Leistungsbeschreibung einen festen Termin vereinbart haben.

Die Fälligkeit einer Leistung richte sich vorrangig nach dem ausdrücklichen oder konkludenten Willen der Parteien und den sonstigen Umständen, § 271 Absatz 1 BGB. Schuldet eine Vertragspartei aus einem einheitlichen Vertrag mehrere Leistungen, dann kann es dem Willen der Vertragsparteien entsprechen, dass diese Leistungen nacheinander zu unterschiedlichen Zeitpunkten fällig werden, wenn der Leistungsempfänger im Interesse einer zügigen Vertragsdurchführung darauf erkennbar Wert legt und der Leistungserbringer sich darauf einlässt.

Die gesonderte Fälligkeit einzelner Teilleistungen setze daher nicht zwingend voraus, dass die Parteien den Fälligkeitszeitpunkt mit Hilfe von Zwischenfristen oder Terminen kalendermäßig festgelegt haben. Im Wege der Vertragsauslegung kann auch ein Zeitpunkt datiert werden, der nicht kalendermäßig im Vertrag bestimmt ist; bei Unklarheiten sei auf die Vermutung des § 271 Absatz 1 BGB zurückzugreifen, nach der die Fälligkeit entweder sofort oder, wenn ein Leistungszeitraum umstritten ist, zum früheren der in Betracht kommenden Zeitpunkte eintritt.

Nach Ablauf der gesetzten Frist der Beklagten konnte sie den Architektenvertrag daher fristlos kündigen. Dem Kläger stehe somit – anders als im Fall einer freien Kündigung gemäß § 648 BGB – lediglich ein Honoraranspruch für bereits erbrachte Architektenleistungen zu. Die Höhe dieses Honoraranspruchs kann das Gericht gemäß § 287 ZPO schätzen.

Kategorie: Bau- und Architektenrecht, 09. August 2022



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