Haftung des Architekten für unwirksame Skonto-Klausel Haftung Architekt

Haftung des Architekten für unwirksame Skonto-Klausel


Oberlandesgericht Stuttgart,
Urteil vom 30.09.2022 – 10 U 12/22

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat entschieden, dass ein Bauherr ohne weitere vertragliche Vereinbarung von dem Architekten keine umfassende juristische Beratung zu Vertragsklauseln erwarten kann, wenn ein Architekt vertraglich die Mitwirkung bei der Auftragserteilung (Grundleistung h) der Leistungsphase 7 nach Anlage 11 zu § 33 S. 3 HOAI 2009) übernommen hat. Die Verpflichtung des Architekten beschränke sich auf eine Anwendung der Grundzüge des Rechts unter Berücksichtigung der gängigen Rechtsprechung.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beklagte wurde Anfang des Jahres 2010 vom Rechtsvorgänger der Klägerin mit Architektenleistungen der Leistungsphasen 1-8 für den beabsichtigten Neubau eines Fabrikations- und Verwaltungsgebäudes beauftragt. Mit Spaltungs- und Übernahmevertrag vom 16.12.2011 wurden die Ansprüche des Rechtsvorgängers mit Wirkung vom 25.07.2012 auf die Klägerin übertragen. Zu den Aufgaben des Architekten gehörten auch das Erstellen des Leistungsverzeichnisses für die Ausschreibung sowie das Verfassen von Bauvertragsentwürfen.

In einem vom Beklagten erstellten und verwendeten Bauvertragsentwurf war geregelt, dass die Skontofrist erst zu laufen beginnt, nachdem die von der Bauleitung geprüften und angewiesenen Abschlagsrechnungen beziehungsweise die Abschlussrechnung bei der Bauherrschaft eingegangen sind.

Die Klägerin machte nach einem Streit mit dem Vertragspartner, der sich auf die Unwirksamkeit der Skonto-Klausel berufen hatte, Schadensersatz gegen den Beklagten geltend. Der von der Schlussrechnung des Vertragspartners vorgenommene Skontoabzug sei ihr wegen der Unwirksamkeit der Klausel nicht verblieben. Das Landgericht gab der Klägerin Recht. Der Klägerin stand ein Anspruch aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB zu, da der Beklagte mit Blick auf die Aufnahme einer unwirksamen Skontoklausel in die Vertragsentwürfe eine mangelhafte Architektenleistung im Rahmen der Mitwirkung bei der Auftragsvergabe erbracht hat.

Nach der hier in Rede stehenden Vertragsbestimmung begann die Skontofrist erst zu laufen, nachdem die von der Bauleitung geprüften und angewiesenen Abschlagsrechnungen beziehungsweise die Abschlussrechnung bei der Bauherrschaft eingingen. Der Zeitpunkt des Zugangs der geprüften Rechnung hing damit allein von der Weiterleitung der Rechnung nach ihrer Prüfung durch den Architekten ab, an den die Rechnungen zunächst zu senden waren. Eine Skontogewährung, deren Berechtigung von der willkürlichen Handhabung einer der Partner abhänge, widerspreche dem Handelsbrauch und ist deshalb nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Der Beklagte legte Berufung ein.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat der Berufung stattgegeben.

Die Klägerin habe keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB, da eine erforderliche Pflichtverletzung fehle. Der Beklagte habe mit der Skontoklausel zwar eine AGB vorgeschlagen, die einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB nicht standhielt, da der Beginn der Skontofrist von Seiten des Auftraggebers auf einen vom Auftragnehmer nicht beherrschbaren Zeitpunkt verschoben werden konnte, der unter Umständen Wochen oder Monate nach Rechnungseingang beim Architekten lag. Das versprochene Skonto war insofern nicht mehr mit einer schnellen Zahlung nach Rechnungsstellung verknüpft. Dies stelle eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers dar, da es keinen angemessenen Ausgleich für den Preisnachlass gab.  Trotz des Vorschlags dieser unwirksamen Klausel habe der Beklagte seine Pflichten aus dem Architektenvertrag nicht verletzt. Zwar gehöre gem. Anl. 11 zu § 33 S. 3 HOAI (2009) zur Leistungsphase 7 gem. h) die Mitwirkung bei der Auftragserteilung, aber unter Mitwirkung bei der Auftragserteilung seinur die Vorbereitung und Anpassung der Verträge zu verstehen. Den Architekten traf keine unbeschränkte Erfolgshaftung für die Rechtswirksamkeit von ihm vorgeschlagener Bauverträge, insbesondere nicht bei speziellen Rechtsfragen.

Von einem Planer könne regelmäßig nur erwartet werden, dass er den Wortlaut der Regelungen des BGB und der VOB/B kennt sowie die Grundzüge der höchstrichterlichen Rechtsprechung, nicht aber die einzelnen Kriterien einer AGB-Inhaltskontrolle, denn die Kenntnisse der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung hierzu einerseits und das Wissen über die dogmatischen Strukturen der Inhaltskontrolle andererseits könnten von einem Nicht-Juristen regelmäßig nicht erwartet werden. Der Bauherr müsse davon ausgehen, dass der Architekt die von ihm vorgeschlagenen vertraglichen Regelungen nur in dem Umfang rechtlich überprüft, der einem Architekten als Nicht-Juristen üblicherweise möglich ist, und der Architekt – ohne besondere vertragliche Regelung – keine darüberhinausgehende Einstandspflicht verspreche.

Praxishinweis:
Für Architekten empfiehlt es sich, Bauherren anzuraten, rechtliche Unterstützung im Rahmen der Vertragsgestaltung einzuholen. Bauherren sollten sich nicht auf Vertragsmuster verlassen, die von Planern vorgeschlagen oder „stets verwendet“ werden. Die tägliche Praxis in unserem Baurechtsdezernat zeigt, dass hier erhebliche Risiken bestehen können. Sowohl für Architekten als auch Bauherren.

Kategorie: Bau- und Architektenrecht, 18. November 2022



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