Inhaltskontrolle von VOB/B-Klauseln bereits bei geringfügigen inhaltlichen Abweichungen von den gesetzlichen Vorschriften möglich!

Inhaltskontrolle von VOB/B-Klauseln bereits bei geringfügigen inhaltlichen Abweichungen von den gesetzlichen Vorschriften möglich!


Bundesgerichtshof,

Urteil vom 19.01.2023, VII ZR 34/20

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Klauseln der VOB/B als vorformulierte Vertragsbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB seien. Jede vertragliche Abweichung von der VOB/B führe dazu, dass diese nicht als Ganzes vereinbart sei, unabhängig davon, welches Gewicht der Eingriff habe. Eine Inhaltskontrolle von VOB/B-Klauseln komme bereits bei geringfügigen inhaltlichen Abweichungen von den gesetzlichen Vorschriften in Betracht. Die Kündigungsregelung in § 4 Nr. 7 Satz 3 benachteilige den Auftragnehmer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und sei daher unwirksam.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien schlossen im Jahr 2004 einen Vertrag mit der Einbeziehung der VOB/B in der jeweils geltenden Fassung. Revisionsrechtlich war zu unterstellen, dass der Auftraggeber Verwender der VOB/B war. Es kam entscheidend auf die Wirksamkeit von § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) an. Es stellte sich die Vorfrage, ob überhaupt eine Inhaltskontrolle der VOB/B möglich war.

Die Revision der Klägerin war begründet.

Die Klauseln der VOB/B seien als vorformulierte Vertragsbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klauseln der VOB/B unterliegen nach der früheren Rechtsprechung keiner Inhaltskontrolle, wenn der Verwender die VOB/B ohne ins Gewicht fallende Einschränkung übernommen habe. Dies sei damit begründet, dass die VOB/B im Gegensatz zu anderen AGB nicht nur die Interessen einer Vertragspartei verfolge, sondern im Ganzen einen einigermaßen ausgewogenen Ausgleich der beteiligten Interessen enthalte. Diese Rechtsprechung modifizierte der BGH 2004. Jede vertragliche Abweichung von der VOB/B führe dazu, dass diese nicht als Ganzes vereinbart sei, unabhängig davon, welches Gewicht der Eingriff habe. Damit sei die Inhaltskontrolle auch dann eröffnet, wenn nur geringfügige inhaltliche Abweichungen von der VOB/B vorlägen. Es sei unerheblich, ob eventuell benachteiligende Regelungen im vorrangigen Vertragswerk möglicherweise durch andere Regelungen „ausgeglichen“ würden. Für die Eröffnung der Inhaltskontrolle sei eine substanzielle Abänderung der VOB/B nicht erforderlich. Dies gelte aufgrund der vorgenannten Rechtsprechung des BGH ungeachtet des Umstands, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag aus der Zeit vor dem 01.01.2009 und damit vor Einführung von § 310 Abs. 1 Satz 3 BGB datiert sei.

 

Kategorie: Bau- und Architektenrecht, 29. März 2023

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