Kein Anspruch des Haftpflichtversicherers eines Architekten gegen Bauunternehmer
Bundesgerichtshof
Urteil vom 01.12.2022, VII ZR 90/22
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Gesamtschuldnerausgleichsanspruch des Architekten gegen den bauausführenden Unternehmer mangels Gesamtschuldverhältnisses nicht besteht, wenn dem Besteller einerseits ein Schadensersatzanspruch nach § 634 Nr. 4 BGB gegen den Architekten wegen Verletzung der vertraglich vereinbarten Objektbegehungspflicht zusteht und ihm andererseits Mängelansprüche gegen den bauausführenden Unternehmer wegen diesem zuzurechnender Mängel des Bauwerks zustehen.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, machte als Haftpflichtversicherer eines Architekten aus übergegangenem Recht Gesamtschuldnerausgleichsansprüche gegen ursprünglich drei Beklagte geltend. Im Revisionsverfahren ging es nur noch um einen Gesamtschuldnerausgleichsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 2. Die Bauherrin beauftragte gemäß Architektenvertrag vom 21.März 2003 den Versicherungsnehmer der Klägerin, den Architekten, für den Bau eines Einfamilienhauses mit den Leistungen, die den Leistungsphasen 1 bis 9 nach § 15 HOAl (2002) entsprechen.
Es wurde eine Teilabnahme nach Abschluss der Objektüberwachung vereinbart. Die Bauherrin beauftragte die Beklagte zu 1 gemäß Bauvertrag vom 2. Dezember 2003 mit der Ausführung von Blechnerarbeiten und sie beauftragte die Beklagten zu 2 und 3 gemäß Bauvertrag vom 19. Februar 2004 mit der Ausführung von Gipserarbeiten. Die Abnahme der Werkleistungen der Beklagten und die Teilabnahme der Leistungen des Architekten erfolgten in den Jahren 2004 und 2005.
Im Jahr 2005 rügte die Bauherrin Mängel und es wurde ein Wasserschaden entdeckt. Die Mängelansprüche der Bauherrin gegen den Architekten für die Leistungen bis zur Objektüberwachung und die Mängelansprüche gegen die Beklagten waren verjährt. Die Bauherrin leitete anschließend im Jahr 2011 ein Hauptsacheverfahren gegen den Architekten auf Zahlung von Schadensersatz wegen Pflichten aus dem Architektenvertrag einem. Der Architekt erhob die Verjährungseinrede. Im Gesamtschuldnerausgleichsprozess machte die Klägerin geltend, dass zwischen dem Architekten und den Beklagten ein Gesamtschuldverhältnis bestehe.
Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, soweit die Klage gegen den Beklagten zu 2 abgewiesen worden ist. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin ihren Klageantrag gegen den Beklagten zu 2 weiter.
Die Revision der Klägerin war unbegründet. Die rechtliche Prüfung des Berufungsgerichts hielt der Nachprüfung stand. Das Landgericht habe die Klage der Klägerin gegen den Beklagten zu 2 zu Recht abgewiesen.
Der Klägerin stehe aus übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers (§ 86 VVG) kein Anspruch gegen den Beklagten zu 2 aus § 426 Abs. 1 BGB oder § 426 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 633 ff. BGB zu. Es fehle an dem dafür erforderlichen Gesamtschuldverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer der Klägerin (Architekt) und dem Beklagten zu 2 als Bauunternehmer. Wenn der Architekt wegen der Pflichtverletzung aus der Leistungsphase 9 gegenüber der Bauherrin hafte, bestehe keine gesamtschuldnerische Haftung mit einem ausführenden Bauunternehmer, der wegen einer Pflichtverletzung bei der Erbringung seiner Bauleistung hafte. Die Voraussetzungen für die Entstehung einer Gesamtschuld fehlten. Die Leistungspflichten aus den jeweiligen Vertragsverhältnissen seien unterschiedlich. Es fehle an der Gleichstufigkeit der Verpflichtungen. Die vertragliche Verpflichtung des Beklagten zu 2 sei auf die mangelfreie Errichtung des Bauwerks bezogen.
Demgegenüber würden die Verpflichtungen des Architekten aus der Leistungsphase 9 beginnen, wenn das Bauwerk bereits errichtet sei und die Werkleistungen der bauausführenden Unternehmen abgenommen seien. Es fehle auch an einer rechtlichen Zweckgemeinschaft im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Der Architekt und der Beklagte zu 2 hätten insoweit nicht, jeder auf seine Art, für die Beseitigung desselben Schadens einzustehen, den die Bauherrin dadurch erlitten habe, dass jeder von ihnen seine vertraglich geschuldeten Pflichten mangelhaft erfüllt habe. Die Verpflichtung des Architekten, der Bauherrin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch den Ausfall der Gewährleistungsansprüche gegen die Baubeteiligten entstanden sei, setze den Ausfall dieser Ansprüche voraus.
Vorinstanzen:
OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.04.2022 – 19 U 87/20
LG Karlsruhe vom 27.05.2020 – 3 O 141/19
Kategorie: Bau- und Architektenrecht, 05. Januar 2023
Ansprechpartner:
- Atif Yildirim
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