Kein Anspruch von Alleinerziehenden auf bevorzugte Dienstplanung

Kein Anspruch von Alleinerziehenden auf bevorzugte Dienstplanung


Dienstplanung   Alleinerziehende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben keinen generellen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf eine ihren Bedürfnissen angepasste Dienstplanung. Die Pflicht des Arbeitgebers zur Rücksichtnahme auf die besonderen privaten Herausforderungen alleinerziehender Mitarbeitenden endet, soweit betriebliche Gründe oder berechtigte Belange der übrigen Beschäftigten entgegenstehen.

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13.07.2023
Az.: 5 Sa 139/22

Die Arbeitsbedingungen in der Pflege stellen für die Beschäftigten eine Herausforderung bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf dar. Der Kinderbetreuung kommt dabei eine wesentliche Bedeutung zu. Das gilt in ganz besonderem Maße für alleinerziehende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Für sie stellt sich das Problem, dass die Kinderbetreuung nicht oder nur sehr schwer mit den Arbeitszeiten gemäß der Dienstplanung zu vereinbaren ist. Und dies, obwohl die Arbeitgeber schon „Mütter- und Väterdienste“ eingerichtet haben. In dieser Konstellation könnte angenommen werden, dass betroffene Mitarbeitende uneingeschränkt die Anpassung der Arbeitszeitverteilung und damit der Dienstplanung an ihre persönlichen Belange verlangen können. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern hat das in einer aktuellen Entscheidung verneint.

Klage auf Anpassung der Arbeitszeitverteilung

Geklagt hatte eine im Wechselschichtsystem beschäftigte Mitarbeiterin. Eingesetzt wurde die Arbeitnehmerin im Tagdienst in Frühdiensten von 5.30 Uhr bis 13.30 Uhr, sogenannten Mittagsdiensten von 7.30 Uhr bis 15.00 Uhr sowie Spätdiensten von 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr bzw. von 14.00 Uhr bis 19.30 Uhr. Die Zeiten der einzelnen Dienste folgen aus dem Dienstplankonzept der Arbeitgeberin und sind auf die geplanten Arbeitsabläufe abgestimmt. Nach der Geburt ihrer Zwillinge beantragte die alleinerziehende Klägerin die Anpassung ihrer Arbeitszeiten wie folgt: Montag bis Freitag (ohne Feiertage) jeweils zwischen 07.40 Uhr und 16.40 Uhr. Zudem beantragte sie eine Arbeitszeitverkürzung von 40 auf 35 Wochenstunden. Die Arbeitgeberin stimmte der Arbeitszeitverkürzung zu, lehnte die Arbeitszeitverteilung jedoch unter Verweis auf ihr Dienstplanmodell ab. Hiergegen richtete sich die Klage der Mitarbeiterin. Unter Hinweis auf ihre besondere Lebenssituation (Zwillinge, alleinerziehend, Alter der Kinder sowie keine Verwandten in der Nähe) machte die Klägerin vor dem zuständigen Arbeitsgericht (ArbG) Schwerin geltend, die von ihr gewünschte Verteilung der Arbeitszeit verlangen zu können. Der Anspruch folge nach Ansicht der Klägerin aus § 8 Abs. 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) und aus den Vorgaben des § 106 der Gewerbeordnung (GewO) zum Direktionsrecht. Das sah das ArbG Schwerin anders und wies die Klage ab.

Das LAG bestätigt die Entscheidung

Die im Verfahren unterlegene Mitarbeiterin ging in Berufung und rügte vor dem LAG Mecklenburg-Vorpommern insbesondere eine Nichtberücksichtigung ihrer Grundrechte aus Art. 6 GG (Schutz von Ehe und Familie, Recht der Kinder auf Fürsorge und Betreuung), Art. 3 GG (Verbot geschlechtsbezogener Benachteiligung) und Art. 33 EU-Grundrechte-Charta (Recht auf Vereinbarkeit von Familie und Berufsleben). Zudem habe die Arbeitgeberin das im Rahmen des Direktionsrechts auszuübende Ermessen, das eine Berücksichtigung der Interessen von Arbeitgeber und Mitarbeitendem verlangt, fehlerhaft ausgeübt und ihre besondere Lebenssituation als Alleinerziehende verkannt. Das LAG wies die Berufung zurück und führte ergänzend zur erstinstanzlichen Entscheidung aus, dass die Klägerin nach § 8 Abs. 1 TzBfG zwar verlangen könne, dass ihre vertragliche Arbeitszeit verringert werde, nicht jedoch, dass die Arbeitszeitverteilung angepasst werde.

Gem. § 8 Abs. 4 TzBfG hat der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen und ihre Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Die Richter des LAG sahen den entgegenstehenden betrieblichen Grund in dem nachvollziehbaren Organisations- und Dienstplankonzept der Arbeitgeberin. Das Wechselschichtmodell sei entscheidend für den Ablauf des Betriebs und werde durch die Anpassung der Arbeitszeitverteilung erheblich beeinträchtigt. Ein regelmäßiger Schichtwechsel über alle Schichten hinweg sei dann nicht mehr realisierbar. Die übrigen Beschäftigten seien nicht mehr in dem bisherigen Rhythmus in der Mittelschicht einsetzbar, was zwangsläufig eine grundlegende Änderung des Schichtsystems bedinge.

Dreistufige Prüfung

Die Prüfung, ob betriebliche Gründe vorliegen, die eine Ablehnung der von einem Mitarbeitenden beantragten Verringerung und /oder Verteilung der Arbeitszeit rechtfertigen, erfolgt in drei Stufen: Zunächst ist zu prüfen, ob der Arbeitszeitregelung ein nachvollziehbares betriebliches Organisationskonzept zugrunde liegt. Ist dies der Fall, ist weiter zu prüfen, ob das Arbeitszeitverlangen des Mitarbeitenden diesem Organisationskonzept tatsächlich entgegensteht. Im dritten Prüfungsschritt ist schließlich zu prüfen, ob das Organisationskonzept des Arbeitgebers durch die Umsetzung der vom Mitarbeitenden beantragten Arbeitszeitverringerung und -verteilung wesentlich beeinträchtigt wird.

Einschränkungen des Direktionsrecht

Der Arbeitgeber darf bestimmen, welcher Arbeitnehmer, welche Tätigkeit, wann, wo und wie zu erledigen hat. Dieses sogenannte Direktions- / Weisungsrecht folgt aus § 106 GewO. Bei der Ausübung des Direktionsrechts ist der Arbeitgeber an Grenzen gebunden, die sich aus Gesetzen, anwendbaren Tarifverträgen, anwendbaren Betriebsvereinbarungen oder aus Regelungen des Arbeitsvertrages ergeben. Zudem hat der Arbeitgeber das Direktionsrecht nach „billigem Ermessen“ auszuüben. Billiges Ermessen bedeutet die angemessene Berücksichtigung der berechtigen individuellen Interesse des Mitarbeitenden und fordert vereinfacht ausgedrückt „fair Play“. Bei der Verteilung der Arbeitszeit im Dienstplan ergeben sich vielfältige Beschränkungen der Rechte des Arbeitgebers, hin und wieder auch unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag, wenn dort beispielsweise geregelt ist, dass der Mitarbeitende nur an bestimmten Tagen und nur zu bestimmten Zeiten arbeiten muss. Solche vertraglichen Einschränkungen sind aus Sicht des Arbeitgebers tunlichst zu vermeiden, da benötigte Flexibilität erschwert wird. In jedem Falle sind über das billige Ermessen bei der Ausübung des Direktionsrechts auch die Belange der Mitarbeitenden zu berücksichtigen, die sich aus der Pflicht zur Kinderbetreuung ergeben, insbesondere bei Alleinerziehenden. Es sind sämtliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Die Pflicht zur Ermessensausübung bedeutet dabei aber gerade nicht, dass Mitarbeitende stets zu den von Ihnen begehrten Zeiten einzusetzen sind.

Zu berücksichtigende persönliche Belange

Während § 8 Abs. 1 TzBfG allein auf das Vorliegen entgegenstehender betrieblicher Gründe abstellt und somit persönliche Belange unbeachtet lässt, spielen solche im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 106 GewO durchaus eine Rolle. Im Rahmen einer Interessenabwägung stehen somit die (Grund-)Rechte und Interessen der Mitarbeitenden den grundrechtlich geschützten Freiheiten des Arbeitgebers sowie den Rechten der übrigen Beschäftigten gegenüber. Mit anderen Worten: Bei der Ausübung des Direktionsrechts hat der Arbeitgeber nicht nur die Belange der betroffenen Mitarbeitenden, sondern auch die der übrigen Beschäftigten zu berücksichtigen. Diesbezüglich darf er sich zur Wahrung der Privatsphäre auf die ihm bekannten persönlichen Umstände stützen und ist nicht verpflichtet, die persönlichen Lebensverhältnisse aller Beschäftigten zu erfragen und überprüfen.

Das LAG berücksichtigte im entschiedenen Fall, dass viele Mitarbeiterinnen betreuungsbedürftige Kinder und somit ein gesteigertes Interesse an regelmäßigen Schichtwechseln, dem Einsatz in der Mittelschicht sowie möglichst vielen freien Wochenenden haben. Sie müssen gleichermaßen die Betreuung sicherstellen. Eine Ungleichbehandlung ist auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass die Klägerin alleinerziehend sei. Sie habe rechtzeitig die Möglichkeit gehabt, sich um einen Platz in einer der umliegenden 24-Stunden-Kitas zu bemühen. Dass es den anderen Mitarbeiterinnen gelingt, ihre familiären auf ihre beruflichen Pflichten abzustimmen, rechtfertigt es nicht, diese durch die vermehrte Zuweisung ungünstiger Schichten zusätzlich zu belasten und gegenüber der Klägerin zu benachteiligen.

Kategorie: Arbeitsrecht, Pflege & Recht, 17. November 2023

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