Kein Verbraucherbauvertrag bei Vertrag über einzelnes Gewerk eines Neubauvorhabens

Kein Verbraucherbauvertrag bei Vertrag über einzelnes Gewerk eines Neubauvorhabens


Bundesgerichtshof,

Urteil vom 16. März 2023 – VII ZR 94/22

Der Bundesgerichthof hat erstmals entschieden, unter welchen Voraussetzungen ein Verbraucherbauvertrag im Sinne des mit Wirkung zum 1. Januar 2018 neu eingeführten § 650i BGB vorliegt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die beklagten Eheleute ließen als private Bauherren einen Neubau errichten. Vom November 2018 bis Januar 2019 erbrachte die Klägerin ihre Leistungen. Auf Abschlagsrechnungen in Höhe von 29.574,80 € leisteten die Beklagten Zahlungen in Höhe von 20.337,61 €. Die Klägerin forderte die Beklagten zunächst unter Fristsetzung erfolglos zur Zahlung des offenen Betrags und anschließend zur Leistung einer Sicherheit hierfür im Sinne von § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB in Höhe von 9.880,05 € auf.

Das Landgericht gab der Klage auf Sicherheitsleistung statt. Die Beklagten legten Berufung ein. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiterverfolgt. Die Revision der Klägerin ist erfolgreich gewesen.

Die Klage auf Sicherheitsleistung sei ursprünglich begründet und sei daher erledigt. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 BGB liegen mangels Verbrauchervertrages nicht vor. Es reiche nach dem Wortlaut in § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB nicht aus, dass der Unternehmer die Verpflichtung zur Erbringung eines einzelnen Gewerks im Rahmen eines Neubaus eines Gebäudes übernehme. Die mit dem Abschluss eines Verbraucherbauvertrags verbundene Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher eine Baubeschreibung zur Verfügung zu stellen, die mindestens unter anderem Pläne mit Raum- und Flächenangaben sowie Ansichten, Grundrisse und Schnitte enthalten muss, spreche ebenfalls für dieses Verständnis. Der Gesetzgeber sei bei der an das Recht der Europäischen Union anknüpfenden Definition des Verbraucherbauvertrags in § 650i BGB nicht versehentlich oder aus Unachtsamkeit von der in anderen Vorschriften, insbesondere der in § 650a BGB gewählten Terminologie abgewichen, sondern habe bewusst die eigenständige klare Formulierung gewählt, nach der sich der Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet haben muss. Die Auffassung, dass der Gedanke des Verbraucherschutzes es erfordert, auch die gewerkeweise vergebenen Leistungen im Rahmen des Neubaus eines Gebäudes denselben Vorschriften zu unterwerfen wie die Verpflichtung zum Neubau eines Gebäudes, finde keine Umsetzung im Gesetz. Die rechtspolitische Erwägung könne nicht ohne weiteres im Rahmen einer Auslegung mit eindeutigen Rechtsfolgen verknüpft werden, weil die Verbraucherschutzvorschriften bei einem Verbraucherbauvertrag insgesamt nicht ausschließlich als umfassender und günstiger für den Verbraucher angesehen werden können als dies bei einem Vertrag der Fall ist, für den sie nicht gelten. Das Gebot der Rechtsklarheit verbiete es, den Begriff des Verbraucherbauvertrags aufgrund einer allgemeinen Zielvorstellung des Verbraucherschutzes zu erweitern, ohne dass dies im Gesetzestext erkennbar wäre. Der Unternehmer müsse es erkennen können, ob und welche Unterrichtungs- und Belehrungspflichten ihn schon im Vorfeld des Vertrages treffen.

Vorinstanzen:

LG Landau in der Pfalz – Urteil vom 11. März 2021 – 2 O 315/19

OLG Zweibrücken – Urteil vom 29. März 2022 – 5 U 52/21 (BauR 2022, 1346)

Kategorie: Bau- und Architektenrecht, 22. März 2023

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