Mehraufwand führt grundsätzlich zur Wertsteigerung: Haftung des Architekten für höhere Baukosten?

Mehraufwand führt grundsätzlich zur Wertsteigerung: Haftung des Architekten für höhere Baukosten?


Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main, Urteil vom 14.11.2019 – 15 U 85/19

Das OLG Frankfurt am Main hat entschieden, dass ein Architekt, der seine Pflicht verletzt, die Planungsvorgaben des Auftraggebers zu den Herstellungskosten des Bauwerks bei der Erbringung der von ihm geschuldeten Leistungen zu beachten, dem Auftraggeber auf Schadensersatz wegen schuldhafter Überschreitung einer vereinbarten Bausumme haftet. Der Schaden bei Überschreitung einer mit dem Architekten vereinbarten Bausumme kann zwar in den überschießenden Baukosten bestehen. Dem Auftraggeber entsteht jedoch insoweit kein Nachteil, als der zu seinen Lasten gehende Mehraufwand zu einer Wertsteigerung des Objekts geführt hat. Der Auftraggeber ist darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass er bei richtiger und rechtzeitiger Aufklärung der Kosten nicht oder billiger gebaut hätte.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks. Im Rahmen eines Bauvorhabens beauftragte er das Architektenbüro der Beklagten für umfangreiche Umbau-, Sanierungs- und Erweiterungsarbeiten an den auf dem Grundstück befindlichen Bestandsgebäuden. Nach einem Erstgespräch erstellten die Beklagten hierfür eine Kostenschätzung mit rund € 226.000, – netto zzgl. ca 22 % Baunebenkosten. In der E-Mail, mit der die Kostenschätzung übersandt wurde, heißt es, die Kosten für den Bestand seien abhängig vom Umfang der Maßnahmen, die in den Bestandsgebäuden durchgeführt werden sollten/müssten. Die Beklagten hätten einen Mittelwert angesetzt. In dem im Anschluss hieran von den Parteien geschlossenen Vertrag von Juli 2015 sind reine Baukosten in Höhe von rund 239.000, – netto aufgelistet und Baunebenkosten in Höhe von  rund € 52.000, – netto (zusammen rund € 348.000, – Euro brutto).

Im September 2015 erstellten die Beklagten eine Kostenaufstellung, die nunmehr Baukosten in Höhe von rund 467.000, – brutto (einschließlich Baunebenkosten) auswies. Nach einem Besprechungsprotokoll vom selben Tag reagierte die Klägerpartei hierauf „entsetzt“ und erklärte, weitere Gelder seien nicht finanzierbar. Die Beklagten wollten daraufhin Einsparpotential in allen Gewerken prüfen. Nach weiteren neuen Kostenschätzungsplänen stellten die Beklagten die letzte aktualisierten Kostenschätzung mit rund € 413.000, – vor. Hierauf antwortete der Kläger: „Hallo, super Arbeit und vielen Dank für eure Bemühungen. Der Auftrag kann an die Firma B vergeben werden“. Eine neue Kostenschätzung von April 2016 wies nunmehr Kosten von rund € 452.000, – aus, eine Aufstellung der Beklagten mit der Überschrift „Geleistete Zahlungen“ von Juli 2016 weist Gesamtkosten in Höhe von rund € 498.000, – aus. Mit Anwaltsschreiben von August 2016 nimmt der Kläger die Beklagten wegen der Baukostensteigerung auf Schadensersatz in Höhe von € 150.000, – in Anspruch.

Die Beklagten hätten eine Baukostengarantie abgegeben, zumindest aber die vereinbarte Baukostenobergrenze schuldhaft überschritten. Das erstinstanzliche Landgericht wies die Klage mit Zustimmung des Klägers durch Teilurteil ab. Die Voraussetzungen für die Übernahme einer Baukostengarantie durch die Beklagten habe der Kläger schon nicht dargelegt. Die bloße Zusicherung einer Baukostensumme reiche hierzu nicht aus. Umstände, die auf einen ausdrücklichen oder auch nur konkludenten Einstandswillen der Beklagten hinsichtlich eines Mehrbetrags hindeuteten, seien nicht ersichtlich und lägen nach allgemeiner Lebenserfahrung auch fern. Schadenersatz stehe dem Kläger auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Baukostenüberschreitung zu. Es könne dahinstehen, ob die Parteien eine bestimmte Kostengrenze als Beschaffenheit des von den Beklagten geschuldeten Architektenwerks vereinbart hätten. Es fehle jedenfalls an der Ursächlichkeit zwischen einer etwaigen Pflichtverletzung der Beklagten und dem von dem Kläger behaupteten Schaden. Die Ursächlichkeit sei zu verneinen, wenn der Bauherr auch bei rechtzeitiger Kenntnis der späteren Bausummenüberschreitung keine Maßnahme getroffen hätte und den Bau genauso fortgeführt hätte. Eine Vermutung beratungsgerechten Verhaltens zugunsten des Bauherrn bestehe nicht, dieser sei darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass er bei richtiger und rechtzeitiger Aufklärung nicht oder billiger gebaut hätte.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung.

Das OLG bestätigt die Entscheidung der Erstinstanz. Zwar entspreche die Planungsleistung eines Architekten nicht der vereinbarten Beschaffenheit, wenn sie ein Bauwerk vorsieht, dessen Errichtung höhere Herstellungskosten erfordert, als sie von den Parteien des Architektenvertrags vereinbart sind. Der Architekt sei weiter verpflichtet, die Planungsvorgaben des Auftraggebers zu den Herstellungskosten des Bauwerks zu beachten. Dabei müsse er nicht nur genau vereinbarte Baukostenobergrenzen einhalten. Vielmehr sei er auch verpflichtet, die ihm bekannten Kostenvorstellungen des Auftraggebers bei seiner Planung zu berücksichtigen. Die Kostenvorstellungen des Bauherrn müsse der Architekt im Rahmen der Grundlagenermittlung beim Bauherrn erfragen. Der Architekt verletze seine Vertragspflichten, wenn er ohne verlässliche Kenntnis von den wirtschaftlichen Möglichkeiten des privaten Auftraggebers die Planung eines Wohnhauses vornimmt. Er muss diese aufklären und darf nicht ohne Rücksicht auf die finanziellen Verhältnisse des privaten Auftraggebers planen.

Gleichwohl wurde die Berufung zurückgewiesen, weil der Kläger nicht spezifiziert dazu vorgetragen habe, dass er bei richtiger und rechtzeitiger Aufklärung durch die Architekten zu den Baukosten nicht oder billiger gebaut hätte.

Kategorie: Bau- und Architektenrecht, 15. August 2022



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