Mietzahlungspflicht bei coronabedingter Absage einer Hochzeitsfeier bleibt grundsätzlich bestehen

Mietzahlungspflicht bei coronabedingter Absage einer Hochzeitsfeier bleibt grundsätzlich bestehen


Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 2. März 2022 – XII ZR 36/21

Der BGH hat entschieden, dass die Mietzahlungspflicht für angemietete Räumlichkeiten auch bei einer coronabedingten Absage einer Hochzeitsfeier besteht. Den Mietern stehe kein pauschaler Anspruch auf Rückzahlung des bereits geleisteten Mietzinses zu.

Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Kläger hatten im Dezember 2018 standesamtlich geheiratet. Aus diesem Anlass mieteten sie bei der Beklagten Räumlichkeiten für eine geplante Hochzeitsfeier, die am 01.05.2020 mit ca. 70 Personen stattfinden sollte. Nach mündlichen Vertragsverhandlungen übersandte die Beklagte den Klägern eine auf den 5. April 2019 datierte Rechnung über die vereinbarte Miete von 2.600 €, die von den Klägern beglichen wurde.

Aufgrund der nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung – in der ab dem 27. April 2020 gültigen Fassung – konnte die geplante Feier in den gemieteten Räumlichkeiten der Beklagten nicht stattfinden, da Veranstaltungen sowie Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen hiernach untersagt waren. Am 23. März 2020 bot die Beklagte den Klägern unter Angabe von Alternativterminen an, die Hochzeitsfeier zu verschieben. Mit Schreiben vom 24. April 2020 baten die Kläger um Rückzahlung des geleitsteten Mietzinses und erklärten gleichzeitig den Rücktritt vom Vertrag.

Das Amtsgericht hat die auf Rückzahlung des vereinbarten Mietzinses gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Kläger 1.300 € nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen legte die Beklagte Revision ein. Mit Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie nicht zu einer Unmöglichkeit im Sinne der §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB geführt haben. Der Beklagten war es trotz des zum Zeitpunkt der geplanten Hochzeitsfeier in Nordrhein-Westfalen geltenden Veranstaltungsverbots und der angeordneten Kontaktbeschränkungen nicht unmöglich, den Klägern den Gebrauch der Mietsache entsprechend dem vereinbarten Mietzweck zu gewähren.

Ebenso habe  das Landgericht zutreffend eine Minderung des Mietzinses nach § 536 Abs. 1 BGB abgelehnt. Durch die Coronaschutzverordnung wurde weder den Klägern die Nutzung der angemieteten Räume noch der Beklagten tatsächlich oder rechtlich die Überlassung der Mieträumlichkeiten verboten. Das Mietobjekt stand daher trotz der Regelungen der Coronaschutzverordnung, die die Durchführung der geplanten Hochzeitsfeier untersagte, weiterhin für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung.

Eine Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erfolgt, stelle keinen Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB dar. Beides habe der zuständige Senat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 12. Januar 2022 (XII ZR 8/21) bereits ausgeführt.

Gleiches gelte, wenn aus diesem Grund in Räumlichkeiten, die von Privatpersonen bei einem gewerblichen Anbieter angemietet wurden, eine dort geplante Veranstaltung nicht stattfinden konnte. Damit stand der Klägerin auch kein Recht zum Rücktritt nach § 326 Abs. 5 BGB oder zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrags nach § 543 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB zu.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehe den Klägern im vorliegenden Einzelfall auch kein Anspruch aus § 313 Abs. 1 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) auf Anpassung des Mietvertrags dahingehend zu, dass sie von ihrer Verpflichtung zur Zahlung des vereinbarten Mietzinses vollständig oder teilweise befreit wären.

Zwar komme nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senatsurteil vom 12. Januar 2022 – XII ZR 8/21) für den Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erfolgt, ein solcher Anpassungsanspruch grundsätzlich in Betracht. Nach der vorliegenden Entscheidung gelte dies auch für Räume, die zur Durchführung einer Veranstaltung gemietet wurden, wenn die Feier aufgrund von hoheitlichen Maßnahmen zur Bekä Dies bedeute aber nicht, dass der Mieter in diesen Fällen stets eine Anpassung der Miete verlangen kann. Ob ihm ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedürfe einer umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen seien. Die Anwendung der Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage führe nur ausnahmsweise zur völligen Beseitigung des Vertragsverhältnisses; in aller Regel sei der Vertrag nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten und lediglich in einer den berechtigten Interessen beider Parteien Rechnung tragenden Form der veränderten Sachlage anzupassen. Nur wenn dies nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar sei, könne nach § 313 Abs. 3 BGB der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten oder bei Dauerschuldverhältnissen den Vertrag kündigen.

Im vorliegenden Fall beschränke sich der Anpassungsanspruch der Kläger nach § 313 Abs. 1 BGB auf die von der Beklagten angebotene Verlegung der Hochzeitsfeier, weil bereits dadurch eine interessengerechte Verteilung des Pandemierisikos bei einem möglichst geringen Eingriff in die ursprüngliche Regelung hergestellt werden könne. Die Beklagte habe den Klägern bereits am 23. März 2020 eine Vielzahl von Ausweichterminen, auch für das Jahr 2021, angeboten. Den Klägern wäre zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung eine Verlegung der Hochzeitsfeier auch zumutbar gewesen. Sie hatten bereits im Dezember 2018 standesamtlich geheiratet und die Hochzeitsfeier stand daher nicht, wie regelmäßig, im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer standesamtlichen oder kirchlichen Trauung.

Die Kläger haben auch keine anderen Gründe dafür vorgetragen, dass die Feier ausschließlich am 1. Mai 2020 und nicht auch zu einem späteren Termin hätte stattfinden können. Sollten sie inzwischen endgültig auf eine Hochzeitsfeier verzichten wollen, fiele diese Entscheidung allein in ihren Risikobereich und hätte daher auf die vorzunehmende Vertragsanpassung keine Auswirkung. Denn sie beträfe das allgemeine Verwendungsrisiko eines Mieters und stünde nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit der pandemiebedingten Störung der Geschäftsgrundlage.

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 29/2022 v. 02.03.2022

Kategorie: Corona Aktuelle, 07. März 2022



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