OLG Brandenburg: Der Auskunftsanspruch aus gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht ist nur eingeschränkt möglich

OLG Brandenburg: Der Auskunftsanspruch aus gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht ist nur eingeschränkt möglich


Oberlandesgericht Brandenburg (OLG)
Beschluss vom 19.03.2020 – 9 UF 134/18

Das Amtsgericht Oranienburg war erst vor kurzem mit einem Stufenverfahren befasst, dessen Beteiligten um die Auseinandersetzung einer vormals gemeinsam in der Form einer GbR –mit gleichen Anteilen- betriebenen Rechtsanwaltssozietät stritten. Ein (schriftlicher) Gesellschaftsvertrag lag in dieser Sache nicht vor.

Die Antragstellerin kündigte das Gesellschaftsverhältnis. Der Antragsgegner machte sodann in dem vorgenannten Stufenverfahren mit dem Ziel der Durchsetzung seines Anteils an einem Überschuss umfangreich vorbereitende Ansprüche auf Mitwirkung an der Auseinandersetzungsbilanz der aufgelösten Rechtsanwaltssozietät und Auskunfts- und Belegansprüche sowie Einsichtsrechte geltend.

Mit Teilbeschluss verpflichtete das Amtsgericht die Antragstellerin zur Mitwirkung an der gemeinschaftlich festzustellenden Auseinandersetzungsbilanz und an der gemeinsamen Ermittlung der Betriebseinnahmen und -ausgaben, der gemeinsamen Feststellung der jährlichen Einnahmeüberschussrechnungen und an der gemeinschaftlichen Abgabe der Steuererklärungen für die Sozietät sowie zur Mitwirkung an der gemeinschaftlichen Verteilung des Überschusses unter Berichtigung gemeinschaftlicher Schulden und daneben umfangreich zur Erteilung von Auskünften, Herreichung von Belegen und zur Gewährung von Einsicht in Unterlagen.

Gegen diese Entscheidung wandte sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde an das OLG Brandenburg, mit der sie weiterhin die vollständige Abweisung begehrte. Das OLG bestätigte insoweit die Auffassung des Amtsgerichts, als dass dem Antragsgegner gegen die Antragstellerin ein Anspruch auf Mitwirkung an der Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz für die Rechtsanwaltssozietät aus § 730 ff. BGB zusteht.

Da ein (schriftlicher) Gesellschaftsvertrag in dem hiesigen Fall nicht vorlag, folgten sowohl die Führung als auch die Beendigung der Gesellschaft den gesetzlichen Regelungen (§ 705 ff. BGB). Dort ist für eine auf unbestimmte Zeit betriebene Gesellschaft ein jederzeitiges Kündigungsrecht kodifiziert. Die Rechtsfolge dieser Kündigung ist die Auflösung der Gesellschaft, die aber bei vorhandenem Gesellschaftsvermögen naturgemäß nicht sogleich tatsächlich zur Vollbeendigung der Gesellschaft, sondern in ein Abwicklungsstadium nach näherer Maßgabe der Auseinandersetzungsregeln führt. Erst mit Abschluss der Auseinandersetzung ist die Gesellschaft tatsächlich beendet. Jeder Gesellschafter hat danach einen Anspruch auf Vornahme der gemeinschaftlichen Auseinandersetzung, die alle Gesellschafter gleichermaßen berechtigt und verpflichtet; nötigenfalls muss der Anspruch auf gemeinschaftliche Auseinandersetzung gerichtlich durchgesetzt werden.

Daran anknüpfend zielte der Antragsgegner zu Recht auf die Durchsetzung von vorbereitenden bzw. Mitwirkungs-Pflichten der Antragstellerin an der gemeinsamen Erstellung der Auseinandersetzungsbilanz.

Aus dem gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsanspruch des Antragsgegners erwachse ihm nach dem OLG allerdings kein Anspruch auf umfassende Auskunftserteilung, Belegvorlage oder gar auf Rechnungslegung durch und gegen die Antragstellerin, insbesondere in der hier teilweise geforderten und erstinstanzlich auch zuerkannten Form der (erstmaligen) Erstellung umfangreicher Übersichten und sonstigen Unterlagen.

Mangels Gesellschaftsvertrages bestehen solche vertragliche Ansprüche von vornherein nicht. Die gesellschaftsrechtlichen Regelungen in §§ 705 ff. BGB sehen einen eigenen Anspruch der Gesellschafter gegeneinander auf Auskunft, Belegvorlage oder Rechnungslegung auch nicht vor. Die Vorschrift des § 713 BGB (in Verbindung mit § 666 BGB) eröffnet nur Ansprüche gegen den geschäftsführenden Gesellschafter.

Im Streitfall aber stehen die Beteiligten formalrechtlich auf ein- und derselben Organisationsstufe, d.h. sie sind beide gleichermaßen berechtigt und verpflichtet, die Geschäfte zu führen; es gab vor und nach Wirksamkeit der Kündigung zu keiner Zeit ein Alleinvertretungsrecht eines der beiden Gesellschafter.

Im Übrigen ist in § 716 BGB allein ein umfassendes Kontrollrecht der Gesellschafter kodifiziert, das aber nur Unterrichtungs- und Nachprüfungsrechte vermittelt, die allerdings als Duldung durch den/die anderen Gesellschafter ausgestaltet sind und ein aktives Handeln/Einsichtnehmen/Ermitteln des berechtigten Gesellschafters erfordern.

Ein Auskunftsanspruch lässt sich somit nur aus gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht (§ 242 BGB) begründen. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn die zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der berechtigte Mitgesellschafter in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seiner Rechte im Unklaren ist und der andere die erforderlichen Auskünfte zur Beseitigung der Ungewissheit problemlos erteilen kann.

Der Antragsgegner hatte aber als gleichberechtigter Mitgesellschafter ohne weiteres die Möglichkeit, zur Abwicklung der Gesellschaft selbst beizutragen und sich über den jeweiligen Stand zu unterrichten; er war daran zu keiner Zeit tatsächlich oder rechtlich gehindert. Er hatte auch Zutritt zu den von der Sozietät angemieteten Räumlichkeiten und damit Zugriff auf sämtliche Geschäftsunterlagen und Mandantenakten.

Gründet der Auskunftsanspruch des Antragstellers in § 242 BGB, stehen dem Antragsgegner Auskunfts- und Belegansprüche zudem nur (noch) sehr eingeschränkt zu. Er kann daraus keinesfalls von der Antragstellerin Auskunft und Rechnungslegung durch Erstellung bislang nicht vorhandener umfangreicher chronologischer und detaillierter Verzeichnisse verlangen. Der Antragsgegner ist weitestgehend darauf zu beschränken, die bestehenden Wissenslücken durch Rückgriff auf die zwischenzeitlich umfänglich erteilten Auskünfte und die Buchhaltungsunterlagen sowie durch Einsicht in die dazu vorhandenen Belegordner und Mandantenakten zu schließen.

Diesen Grundsätzen folgend war die Antragstellerin zwar antragsgemäß zur Mitwirkung an der gemeinschaftlich festzustellenden Auseinandersetzungsbilanz zu verpflichten. Das schließt die Verpflichtung zur Mitwirkung an der gemeinsamen Ermittlung der Einnahmen-Überschussrechnungen der Sozietät ein. Dasselbe gilt für die Mitwirkung an ergänzenden Steuererklärungen der Gesellschaft, soweit sich hierzu in der Folge geänderter Geschäftsergebnisse eine Notwendigkeit ergibt. Mitzuwirken hat die Antragstellerin ferner an der ggf. erforderlichen Berichtigung gemeinschaftlicher Schulden. Bis auf diese Mitwirkungspflicht der Antragstellerin standen dem Antragsgegner jedoch keine weiteren Ansprüche gegen sie zu.

Kategorie: Gesellschaftsrecht / Handelsrecht, 28. Mai 2020



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