OLG Celle: Initiiert der Architekt die Mindestsatzunterschreitung – keine Aufstockung des Architektenhonorars
Oberlandesgericht (OLG)
OLG Celle, Urteil vom 10.08.2020 – 14 U 54/20
Das OLG Celle entschied, dass die Nachforderung eines Architektenhonorars auf der Basis der HOAI-Mindestsätze mittels einer sogenannten „Aufstockungsklage“ treuwidrig und rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB sein kann, wenn der klagende Architekt die unwirksame Pauschalhonorarvereinbarung selbst initiiert und gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat.
Der beklagte Bauherr schloss mit einem Architekten einen schriftlichen Architektenvertrag. Die Parteien vereinbarten ein Pauschalhonorar in Höhe von 24.990,00 €. Die Honorarermittlung erfolgte nach der HOAI und belief sich auf 25.989,08 €. Diese beruhte auf einer Kostenschätzung des Architekten in Höhe von 149.642,00 €. Während der Projektabwicklung kam es zu einem Zerwürfnis zwischen den Beteiligten. Der Architekt forderte auf der Grundlage der anrechenbaren Kosten in Höhe von 275.186,57 € ein Mindestsatzhonorar von weiteren 29.856,66 €.
Das OLG Celle wies die Klage ab. Laut dem OLG habe sich der Auftragnehmer widersprüchlich verhalten, da er eine Pauschalvereinbarung unterhalb der Mindestsätze abschloss und später nun doch nach dem Mindestsatz abrechnen wollte. Dies stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB dar.
Das OLG führte aus, dass der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertrauen durfte. Es sei ihm nach Treu und Glauben nicht zumutbar, Mehrkosten zu zahlen, da er sich auf die ausgerechneten Kosten eingerichtet habe. Da vorliegend eine detaillierte Honorarermittlung mit dem fortwährenden Verweis auf die HOAI und unter Bezug auf eine Kostenschätzung nach der DIN 276 vorgelegen habe, sei für den unkundigen Bauherrn nicht erkennbar gewesen, dass die verbindlichen Mindestsätze unterschritten wurden. Der Bauherr habe sich zudem auf die Honorarvereinbarung eingerichtet. Die Mindestsatzforderung übersteige die vereinbarte Pauschalhonorarrechnung mit über 50 %. Eine solche relativ hohe Kostensteigerung über das vereinbarte Honorar hinaus und ohne vertragliche Grundlage stelle für einen eigenfinanzierenden Privatbauherrn eine besondere Härte dar, die eine weitere Kreditaufnahme erfordere oder die Belastung einer anderen Art nach sich ziehe, sodass ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vorliege. Es komme dabei nicht auf die europarechtliche Bewertung des verbindlichen Preisrechts an, weil sich die Treuwidrigkeit der Nachforderung unabhängig von europarechtlichen Gesichtspunkten ergebe.
Kategorie: Bau- und Architektenrecht, 22. Oktober 2020
Ansprechpartner:
- Atif Yildirim
zurück