OLG Celle zu der Treuwidrigkeit von Berufungen auf die Mindestsätze der HOAI

OLG Celle zu der Treuwidrigkeit von Berufungen auf die Mindestsätze der HOAI


Oberlandesgericht (OLG) Celle, Urteil vom 27.04.2022 – 14 U 156/21

Das OLG Celle hat entschieden, dass die Geltendmachung der Mindestsätze nach der HOAI nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein können, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit einer zwischen den Vertragsparteien getroffenen Honorarvereinbarung vertrauen durfte und ihm die Zahlung des Differenzbetrags zwischen dem vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen nicht zugemutet werden kann. Ein solches schützenswertes Vertrauen kann auch dann vorliegen, wenn der Auftraggeber Voraussetzungen für gegeben hält, die eine Mindestsatzunterschreitung ausschließen, wie beispielsweise eine nicht vollständige Beauftragung aller Grundleistungen, sodass eine Honorarkürzung geboten sein könnte.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin ist ein Ingenieurbüro. Die Beklagte ist ein Bauunternehmen. Die Beklagte unterbauftragte die Klägerin mit Planungsleistungen nach der HOAI. Eine schriftliche Honorarvereinbarung zwischen den Parteien existiert nicht. Lediglich wechselseitige Vertragsentwürfe fixieren das Honorar einerseits pauschal auf rund € 161.000, – und andererseits auf pauschal rund € 170.000, -. Die ebenfalls unter Berufung auf bestehende Vereinbarungen gestellte letzte Abschlagsrechnung der Klägerin (die von einem vollständigen Leistungsstand ausgeht) in Höhe von € 170.000, – wird von der Beklagten auf € 161.000, – gekürzt. Mit Schreiben stellte die Klägerin daraufhin eine Schlussrechnung auf Basis der HOAI-Mindestsätze. In ihrem Schreiben weist die Klägerin darauf hin, dass die Rechnungsprüfung der Beklagten nicht die getroffene Vergütungsvereinbarung widerspiegle und sie deshalb eine Abrechnung nach der HOAI vornehme. Ausweislich dieser Schlussrechnung begehrt die Klägerin abzüglich der unstreitig gezahlten Beträge nunmehr ein Resthonorar in Höhe von rund € 114.000, -. Die Klägerin macht ihr Begehren nach nicht erfolgter Zahlung der Beklagten im Klagewege mit einer entsprechenden Mindestaufstockungsklage in Höhe von rund € 114.000, – geltend. Hilfsweise beruft sich die Klägerin zudem darauf, dass eine zwischen den Parteien getroffene – nicht schriftliche – Pauschalvereinbarung gegen das Schriftformerfordernis des § 7 HOAI verstoße.

Ohne Erfolg!

Aufgrund der erfolgten Beweisaufnahme geht das OLG von einer vereinbarten Vergütung in Höhe von rund € 161.000, – Euro aus. Die Berufung auf ein höheres Mindestsatzhonorar sei der Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt:

Der Auftragnehmer (die Klägerin), der eine Pauschalvereinbarung unterhalb der HOAI-Mindestsätze abschließe und später nach diesen abrechnen wolle, verhalte sich widersprüchlich. Eine Abrechnung nach den HOAI-Mindestsätzen sei nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn der Auftraggeber (die Beklagte) auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut habe und auch vertrauen durfte und er sich darauf in einer Weise eingerichtet habe, dass ihm die Zahlung des Mindestsatz-Differenzbetrags unzumutbar sei. So liege der Fall hier. Der Kläger habe einen Vertrauenstatbestand geschaffen, weil er wissentlich ein Pauschalhonorar unter den Mindestsätzen angeboten und auch unter Bezugnahme „auf die bestehenden Vereinbarungen“ abgerechnet habe.

Die Beklagte habe bei der Honorarvereinbarung die Kalkulation ihres geschlossenen Hauptauftrags nochmals überprüft, um die zu vereinbarende Honorarpauschale zahlen zu können. Sie habe sich daher bei Vertragsabschluss mit der Klägerin wirtschaftlich nur auf die Zahlung der vereinbarten Pauschale eingerichtet. Hierbei sei sie in ihrem Vertrauen auch schützenswert. Eine nachträgliche Erhöhung der Honorarforderung um 50 % sei der Beklagten nicht mehr zumutbar. Auch die Berufung der Klägerin  auf den Formverstoß würde aus den o.g. Gründen zu einem nicht hinnehmbarem Ergebnis führen. Selbst wenn die Pauschalhonorarvereinbarung gegen das Schriftformerfordernis gemäß § 7 HOAI, § 126 BGB verstoßen sollte, bliebe die Klägerin daher gemäß § 242 BGB (Treu und Glauben) an die getroffene Vereinbarung gebunden. 

Kategorie: Bau- und Architektenrecht, 09. August 2022



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