OLG Karlsruhe: Sittenwidrige Abgabe eines Schuldanerkenntnisses durch einen Geschäftsführer
Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG)
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.08.2020 – 9 U 29/19
Das OLG Karlsruhe entschied, dass der Geschäftsführer einer GmbH in seiner Tätigkeit ausschließlich die Interessen der Gesellschaft zu verfolgen hat. Er ist auch nach Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens durch die Gesellschaft nicht berechtigt, eigene wirtschaftliche Interessen bei der Vertretung der GmbH zu verfolgen. Ohne ausdrückliches Einverständnis der Gesellschafter ist er nicht berechtigt, Ansprüche aus seinem Anstellungsvertrag durch die Bestellung einer Sicherheit in Form eines notariellen Schuldanerkenntnisses zu Lasten der GmbH abzusichern. Das abgegebene notarielle Schuldanerkenntnis ist wegen Sittenwidrigkeit nichtig, wenn der Geschäftsführer weiß, dass er auf die Einräumung der Sicherheit keinen Anspruch hat. Handelt der Vertreter bewusst zum Nachteil des Geschäftsherrn, führt dies nach § 138 Abs. 1 BGB zur Unwirksamkeit der Willenserklärung.
Der Entscheidung lag die Klage dreier Klägerinnen (Z1, Z2 und Z3) gegen die Beklagte zugrunde. Bei der Beklagten handelte es sich um eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Hongkong. Einziger Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten war A.H. Die Klägerinnen Z2 und Z3 waren jeweils Kommanditgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Z3 betriebt auf dem Betriebsgelände der Z2 eine private Klinik. Die Klägerin Z1 war eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Sie war die Komplementärin der Klägerinnen Z2 und Z3. Die Eheleute B.K. und B.C. waren die einzigen Gesellschafter der Klägerin Z1 sowie die alleinigen Kommanditisten von der Klägerin Z2. Einziger Kommanditist der Klägerin Z3 war B.K.
Die Eheleute waren zudem Alleingesellschafter der OHM Co. Ltd, einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in Thailand. Die OHM Co. Ltd schloss im Juli 2016 einen Beratungsvertrag mit der Beklagten ab, nachdem sich die Beklagte zur Geschäftsführung der Klägerinnen Z1, Z2 und Z3 durch A.H. verpflichtete.
Im September 2016 wurde A.H. als Geschäftsführer der Klägerin Z1 im Handelsregister eingetragen. Zu seinen Gunsten wurden eine Einzelvertretungsberechtigung sowie die Befugnis, im Namen der Gesellschaft Rechtsgeschäfte mit sich selbst im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten abzuschließen, eingetragen.
Auch im September 2016 erklärte A.H. einen Schuldbeitritt für die Klägerinnen Z1, Z2 und Z3 zu den Verpflichtungen der OHM Co. Ltd aus dem Beratungsvertrag gegenüber der Beklagten. Im Juni 2017 erklärte A.H. sodann ein Schuldanerkenntnis im Namen der Z1, Z2 und Z3 gegenüber der Beklagten mit Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung. Die Klägerinnen erkannten in dieser Urkunde an, der Beklagten einen Betrag von rund 200.000 € sowie von Juli 2017 bis einschließlich Dezember 2018 monatlich 15.000 € und zusätzliche 160.000 € wegen Überstunden ab dem Ende Juni 2017 zu Schulden. Das Schuldanerkenntnis erfolgte mit der Maßgabe, dass es zur Zwangsvollstreckung keinen Nachweis über die Überstunden bedurfte. Der Beklagten wurde eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde erteilt.
Im Oktober 2017 beschlossen B.K. und B.C. in einer Gesellschafterversammlung A.H. als Geschäftsführer zu entlassen.
Daraufhin leitete die Beklagte die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde gegen die Klägerinnen ein. Es wurden Bankkonten der Klägerinnen gepfändet und die Zwangsversteigerung des Betriebsgrundstücks der Klägerin Z2 eingeleitet.
Das Landgericht (LG) Freiburg erklärte die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig. Hiergegen legte die Beklagte erfolglos Berufung ein.
Das OLG Karlsruhe entschied, dass das Schuldanerkenntnis für die drei Klägerinnen sowie die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung durch den Geschäftsführer sittenwidrig gewesen sei. Die Vertretungsvollmacht könne keine Willenserklärung für die vertretenen Gesellschaften bewirken, wenn ein offensichtlicher Missbrauch des Vertreters vorliege. Dies komme insbesondere bei einem Vertreter in Betracht, der von den Beschränkungen eines Insichgeschäfts nach § 181 BGB befreit sei. Die Beschränkung von den Befreiungen nach § 181 BGB ändert nichts daran, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft verpflichtet sei, bei seinen Handlungen und Willenserklärungen, die er für die vertretenen Gesellschaften tätige, ausschließlich die Interessen der Gesellschaften zu wahren. Handele ein Vertreter bewusst zum Nachteil des Geschäftsherrn, führe dies zur Unwirksamkeit der Willenserklärung gemäß § 138 Abs. 1 BGB.
Kategorie: Gesellschaftsrecht / Handelsrecht, 11. Februar 2021
Ansprechpartner:
- Atif Yildirim
zurück