Pflicht eines Kommanditisten zur Zahlung einer rückständigen Einlage?
Oberlandesgericht (OLG) München
Endurteil vom 31.07.2019 – 7 U 3799/18
Das OLG München hat entschieden, dass ein Kommanditist in Ermangelung besonderer Abreden oder Beschlüsse der Gesellschafter grundsätzlich nicht nachschusspflichtig ist. Allerdings hat er bei Verlusten der Gesellschaft, die den Kapitalanteil übersteigen, maximal die rückständige Pflichteinlage sowie die rückzahlbaren Entnahmen zu leisten.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin, ein Filmfonds in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, macht gegen den Beklagten die Zahlung eines negativen Abfindungsguthabens geltend. Der Beklagte beteiligte sich per Beitrittserklärung vom 13.10.2004 als Direktkommanditist mit einer Pflichteinlage von nominal 100.000,- € an der Klägerin. Hierauf zahlte der Beklagte 50% (also 50.000,- €) sowie das Agio ein.
Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin hatte in seiner ursprünglichen Variante auszugsweise den folgenden Wortlaut.
„§ 4 Gesellschaftsstruktur, Gesellschaftskapital (…)
3. Kommanditeinlagen der Treugeber und Direktkommanditisten … Die Treugeber und Direktkommanditisten sind verpflichtet, 50% der Pflichteinlage zuzüglich eines Agio in Höhe von 3% nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen als Bareinlage zu leisten. 50% der Pflichteinlage werden zinslos fällig, wenn die Treugeber und Direktkommanditisten diesen Betrag in voller Höhe aus erwirtschafteten und zur Ausschüttung anstehenden Gewinnen der Gesellschaft leisten können. Sobald in dieser Höhe ausschüttungsfähige Gewinne zur Verfügung stehen, werden diese mit dem ausstehenden Teil der Pflichteinlage in gleicher Höhe verrechnet. Die Pflichteinlagen sind feste Kapitalanteile. Direktkommanditisten werden jeweils mit 103% der Pflichteinlage als Haftsumme im Handelsregister eingetragen. (…)
§ 23 Ausscheiden, Ausschluss eines Gesellschafters oder Treugebers (…)
6. Kann über die Höhe der Abfindung zwischen dem Komplementär und dem ausscheidenden Gesellschafter oder Treugeber kein Einvernehmen erzielt werden, wird die Abfindung durch einen von der Wirtschaftsprüferkammer M. zu benennenden Wirtschaftsprüfer als Schiedsgutachter, der auch über die Kosten seiner Inanspruchnahme entsprechend den Bestimmungen der §§ 91 f. ZPO zu befinden hat, verbindlich ermittelt.“
Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 25.7.2012 wurde der Gesellschaftsvertrag in § 4 wie folgt geändert.
„4,5% der Pflichteinlage werden zinslos fällig, wenn sie durch die Geschäftsführung der Gesellschaft zum Zwecke der Durchsetzung der steuerlichen Interessen sowie zur Bestandswahrung der Gesellschaft schriftlich eingefordert werden; der Rest der ausstehenden Pflichteinlage kann nur zinslos durch die Gesellschaft eingefordert werden, wenn ein entsprechender Gesellschafterbeschluss gefasst wird.“ „
Mit Schreiben vom 27.01.2014 forderte die Klägerin 4,5 % der Pflichteinlage (mithin 4.500,- €) vom Beklagten ein. Diesen Betrag bezahlte der Beklagte nicht. In der Folgezeit schied der Beklagte durch ordentliche Kündigung zum 31.12.2014 aus der Gesellschaft aus. Zu diesem Stichtag ergab sich nach Auffassung der Gesellschaft ein negatives Auseinandersetzungsguthaben des Beklagten in Höhe von 15.070,- €, das die Beklagte von dem Kläger forderte. Das LG München I hat die Klage mangels Vorliegens eines Schiedsgutachtens als derzeit unbegründet abgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG München das Urteil des Landgerichts München I dahingehend abgeändert – einem entsprechenden Hilfsantrag der Klägerin folgend -, dass festgestellt wird, dass die gegen den Beklagten geltend gemachte Einlageforderung der Klägerin in Höhe von 4.500,- € bei der Berechnung des Abfindungsguthabens des Beklagten als unselbständiger Rechnungsposten zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen ist. Im Übrigen hat das OLG München die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zu Recht hat die Vorinstanz den Hauptantrag der Klägerin als derzeit unbegründet abgewiesen, da es entscheidungserheblich auf die Höhe des Abfindungsguthabens ankommt und deshalb vor Erhebung der Klage von der Klägerin ein Schiedsgutachten zu erholen gewesen wäre. Der Senat führt in seinem Urteil aus, dass das Kapitalkonto des Gesellschafters grundsätzlich negativ werden kann, da die Verluste der Gesellschaft entsprechend dem Verlustanteil des Gesellschafters abzuschreiben sind. Dies bedeutet für den Kommanditisten jedoch nur, dass er in Ermangelung besonderer Abreden oder Beschlüsse der Gesellschafter grundsätzlich nicht nachschusspflichtig ist. Er verliert allenfalls seinen (bislang) positiven Kapitalanteil und hat bei Verlusten der Gesellschaft, die den Kapitalanteil übersteigen, maximal die rückständige Pflichteinlage sowie die rückzahlbaren Entnahmen zu leisten. Da im streitgegenständlichen Fall unstreitig keine rückzahlbaren Entnahmen vorgenommen wurden, muss der Beklagte maximal eine etwaige noch rückständige Pflichteinlage leisten. Mangels Zahlung des Beklagten auf das Einziehungsschreiben der Klägerin vom 27.01.2014 besteht noch eine offene Einlageverpflichtung der Beklagten in Höhe von 4.500,- € (4,5 % aus der Zeichnungssumme von 100.000,- €), die auch eine „rückständige Einlage“ im Sinne des § 167 Abs. 3 HGB darstellt. Das Bestehen einer rückständigen Einlage führt bei einem mittlerweile ausgeschiedenen Kommanditisten aber nicht notwendigerweise zu einem Zahlungsanspruch der Gesellschaft gegen den Kommanditisten in dieser Höhe. Vielmehr bewirkt dies nur, dass der Kommanditist nur bis maximal zu diesem Betrag an einem Verlust der Klägerin teilnimmt und deshalb ein etwaiges negatives Abfindungsguthaben des Beklagten vom Beklagten auch nur bis zu diesem Höchstbetrag ausgeglichen werden muss. Ein möglicherweise 4.500,- € übersteigendes negatives Abfindungsguthaben muss der Beklagte nicht ausgleichen. Da es demnach auf die Höhe des negativen Abfindungsguthabens im konkreten Einzelfall ankommt, wäre nach § 23 Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 GV ein Schiedsgutachten zu erholen gewesen. Gegenüber dem ausgeschiedenen Gesellschafter trifft die Pflicht zur Erstellung der Abfindungsbilanz die Gesellschaft. Entgegen der Auffassung der Klägerin hätte das Landgericht auch nicht die Leistungsbestimmung durch Erholung eines Sachverständigengutachtens vornehmen müssen. Darüber hinaus war das Landgericht war auch nicht gehalten, dem Beklagten eine Frist zur Beibringung des Schiedsgutachtens zu setzen. Ob das Gericht die Klage sofort als zurzeit unbegründet abweist oder aber zunächst der Klägerin eine Frist zur Beibringung des Schiedsgutachtens setzt, liegt im Ermessen des Gerichts.
Kategorie: Gesellschaftsrecht / Handelsrecht, 10. Oktober 2019
Ansprechpartner:
- Atif Yildirim
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