Schadensersatzpflicht eines Tragwerksplaners mangels versäumter Überprüfung eines bereits vorliegenden Verbrauchs der möglichen Traglast
Oberlandesgericht Karlsruhe,
Urteil vom 25.05.2023 – 19 U 64/22
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat entschieden, dass die vereinbarte Beschaffenheit eines Werkes nach § 633 Abs. 2 S.1 BGB nicht vorliege, wenn die Planung eines Architekten den nach dem Vertrag vorausgesetzten Zweck nicht erfülle. Dies gelte auch für die Planung eines Tragwerksplaners. Übernehme ein Tragwerksplaner zur Vorbereitung der geplanten Aufstockung eines Gebäudes vertraglich die Untersuchung einer Bestandsdecke, schulde er auch die Untersuchung, inwieweit die mögliche Traglast durch den Bestandsbau bereits verbraucht sei.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass der Beklagte ihr als Tragwerksplaner zum Schadensersatz verpflichtet sei. Das Landgericht wies die Klage ab. Die Klägerin behauptete, dass das Landgericht eine Verletzung von Hinweispflichten durch den Beklagten fehlerhaft verneint habe.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.
Der Beklagte hafte der Klägerin auf Ersatz des Schadens, der ihr durch den unterbliebenen Hinweis entstanden sei, dass bei ihrem Bauvorhaben die Hohlkörperdecke über dem Obergeschoss eine Tragfähigkeit von lediglich 250 kg/m² aufweise, dass diese Traglast durch den vorhandenen, 15 cm starken Bimsbeton in den Deckenfeldern der Hohlkörperdecke bereits ausgeschöpft werde, dass der aufzubringende Bodenbelag die Tragfähigkeit der Decke daher übersteige und dass deshalb zusätzliche Maßnahmen erforderlich seien, um das von der Klägerin geplante Vorhaben, das Dachgeschoss zu Wohnraum umzubauen, umzusetzen. Der Schadensersatzanspruch stehe der Klägerin gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, 3, 281 BGB zu. Der Vertrag über zu erbringende Tragwerksplanung sei als Werkvertrag zu qualifizieren. Nach dem Vertrag sei auch eine Untersuchung der Decke über dem Obergeschoss geschuldet, die sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht darauf beschränke, lediglich deren potenzielle Traglast zu bestimmen bzw. aus den Bestandsplänen zu entnehmen, ohne dabei festzustellen, inwieweit diese Traglast schon verbraucht sei. Dies folge aus der Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages (§§ 133, 157 BGB). Die von dem Beklagten erbrachte Planungsleistung sei mangelhaft, da sie unvollständig sei. Die Planung eines Tragwerksplaners sei mangelhaft, wenn sie nicht die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit gem. § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB aufweise. Zur vereinbarten Beschaffenheit gehören alle Eigenschaften des Werkes, die nach der Vereinbarung der Parteien den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Der vertraglich geschuldete Erfolg bestimme sich auch danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen solle. Eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit liege vor, wenn der mit dem Vertrag verfolgte Zweck des Werkes nicht erreicht werde und das Werk seine vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion nicht erfülle. Die vereinbarte Beschaffenheit liege danach nicht vor, wenn die Planung eines Architekten den nach dem Vertrag vorausgesetzten Zweck nicht erfülle. Nichts anderes gelte für die Planung eines Tragwerksplaners.
Kategorie: Bau- und Architektenrecht, 31. Juli 2023
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