Unternehmer hat trotz Vertragskündigung Anspruch auf Bauhandwerkersicherung
Oberlandesgericht Stuttgart,
Urteil vom 17.01.2023 – 10 U 91/22
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat entschieden, dass eine Bauhandwerkersicherung nach § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB auch nach Kündigung des Bauvertrags verlangt werden könne.
Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin und die Rechtsvorgängerin der Beklagten schlossen einen Generalübernahmevertrag für die schlüsselfertige Errichtung eines Gesundheitscampus mit einer Kindestagesstätte mit fünf Gruppen und Pflegeeinrichtung. Nachdem die Parteien über die Höhe der Vergütung stritten, forderte der Kläger eine Bauhandwerkersicherung gemäß § 650f Abs. 1 BGB. Der Beklagte stellte diese nicht. Der Kläger kündigte daraufhin den Generalübernehmervertrag aus wichtigem Grund. Die Beklagte kündigte den Generalübernahmevertrag fristlos wegen rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme der Kündigungsmöglichkeit nach § 650f BGB und den Schwierigkeiten bei der Ausführung der anderen Bauvorhaben. Das Landgericht verurteilte die Beklagte, der Klägerin ungeachtet der Kündigungen zur Stellung einer Sicherheit. Die Beklagte legte Berufung ein.
Die Berufung wurde zurückgewiesen.
Eine Bauhandwerkersicherung nach § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB könne auch nach Kündigung des Bauvertrags verlangt werden. Nach der Kündigung des Bauvertrags wegen des Ausbleibens einer Bauhandwerkersicherung müsse der Unternehmer die Höhe der ihm nach der Kündigung auf der Grundlage der getroffenen vertraglichen Vereinbarung zustehenden Vergütung schlüssig darlegen. Hierzu genüge die schlüssige Darlegung der ursprünglich vereinbarten Vergütung nicht, der Unternehmer müsse vielmehr die Höhe der vereinbarten Vergütung im Zeitpunkt des Sicherungsverlangens darlegen. Er müsse nach Kündigung grundsätzlich eine Abrechnung der erbrachten und nicht erbrachten Leistungen vornehmen. Eine entsprechende Darlegung erfolge in der Regel durch eine Schlussrechnung. Ausnahmsweise müsse der Unternehmer für die schlüssige Darlegung der zu sichernden Forderung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen nicht näher unterscheiden und zur Darlegung der abzusichernden Vergütung keine Schlussrechnung erstellen, wenn sich die Höhe des Sicherungsverlangens ohne weiteres aus Gesetz (§ 650f Abs. 5 Satz 2 HS 1 BGB) und der vertraglich vereinbarten (Pauschalfestpreis-)Vergütung ergebe. Das sei der Fall, wenn der Unternehmer 5% des vereinbarten Pauschalpreises, bestehend aus der gesetzlich vermuteten Pauschale von 5% für die nicht erbrachten Leistungen und einem Teil des Werklohns von 5% für die erbrachten Leistungen, die grundsätzlich vollständig zu vergüten wären, geltend mache. Eine vertragliche Regelung, die im Falle einer Kündigung des Unternehmers aus wichtigem Grund den Vergütungsanspruch auf die erbrachte Leistung beschränke, entfalte für eine Kündigung nach § 650f Abs. 5 S. 1 BGB gemäß § 650f Abs. 7 BGB keine Wirksamkeit. Werde über Einwendungen des Bestellers gegen den Werklohnanspruch des Unternehmers ein eigenständiger Zivilprozess geführt, dann stehe einer Aussetzung des Zivilprozesses über eine Bauhandwerkersicherung das Sicherungsinteresse des Unternehmers entgegen, denn der Gesetzgeber wollte dem Unternehmer mit § 650f BGB die Möglichkeit eröffnen, möglichst schnell und effektiv vom Besteller eine Sicherheit für den Fall zu erlangen, dass der Besteller ihn nicht bezahlt.
Kategorie: Bau- und Architektenrecht, 20. April 2023
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