Verbraucherdarlehensvertrag: Information über Verzugszinssatz erfordert Angabe des bei Vertragsschluss geltenden Prozentsatzes
Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 12.04.2022 – XI ZR 179/21
Der BGH hat entschieden, dass bei Allgemein-Verbraucherdahrlehensverträgen im Anwendungs-bereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.04.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (im Folgenden: Verbraucherkreditrichtlinie) die Information über den Verzugszinssatz nach Art. 247 § 3 Absatz 1 Nummer 11 EGBGB die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes erfordert.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger erwarb im Juni 2016 einen Gebrauchtwagen BMW 318d zu einem Kaufpreis in Höhe von € 20.846,- von der Beklagten. Zur Finanzierung des über die Anzahlung von € 3.000,- hinausgehenden Kaufpreises, zweier Ratenschutzversicherungen und eines Kaufpreisschutzes schlossen die Parteien zudem am 08. Juni 2016 einen Gelddarlehensvertrag über € 19.991,59. Vereinbart wurde das Darlehen in 47 Monatsraten zu je € 250,- und einer Schlussrate in Höhe von € 9.405,65 zurückzuzahlen. In dem Gelddarlehensvertrag ist als Angabe über die Verzugsfolgen vorgesehen, dass „für ausbleibende Zahlungen die gesetzlichen Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr berechnet werden“. Die Allgemeinen Darlehensbedingungen der Beklagten beinhalten eine gleichlautende Regelung nebst der Ergänzung, dass der Basiszinssatz jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres ermittelt und von der Deutschen Bundesbank im Bundesanzeiger bekannt gegeben wird
Mit Schreiben vom 01. Juli 2019 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung und forderte die Beklagte zur Rückabwicklung des Vertrages auf. Die Beklagte wies den Widerruf als verfristet zurück. Mit Anwaltsschreiben vom 06. September 2016 verlangte der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung der von ihm geleisteten Zins- und Tilgungsraten Zug-um-Zug gegen Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs. Im Juni 2020 löste der Kläger das Darlehen mit Zahlung der Schlussrate vollständig ab.
Die Parteien stritten nunmehr um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers. Im Klagewege machte der Kläger nunmehr die Zahlung von € 25.405,17 nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Herausgabe und Übereignung des finanzierten Fahrzeugs, die Feststellung, dass sich die Beklage mit Annahme des Fahrzeugs in Verzug befinde sowie die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend. Das Begehren des Klägers blieb in den beiden Vorinstanzen erfolglos:
Der Kläger habe seine auf Abschluss des Gelddarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht wirksam widerrufen. Der Widerruf sei verfristet, weil die dem Kläger zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde alle für die Ingangsetzung der Widerrufsfrist erforderlichen Pflichtangaben gemäß § 492 Absatz 2 BGB enthielte. Im Hinblick auf die erteilte Widerrufsinformation könne sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 6 Absatz 2 Satz 3 EGBGB berufen. Die dem Kläger erteilten weiteren Pflichtangaben seien ebenfalls nicht zu beanstanden.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Der BGH führte aus, die o.g. Ausführrungen hielten der revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Mit der vorbezeichneten Begründung des Berufungsgerichts könne ein wirksamer Widerruf des streitgegenständlichen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag (§ 358 Absatz 3 BGB) nicht verneint werden. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe ihre aus § 492 Absatz 2 BGB in Verbindung mit Art. 247 § 6 Absatz. 1 Satz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 3 Absatz 1 Nummer 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, ordnungsgemäß erfüllt.
Zwar erfordere die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat aber mit Urteil vom 09. September 2021 (C-33/20, WM 2021, 1986 Rn. 81 ff. – Volkswagen Bank) entschieden, dass Art. 10 Absatz 2 Buchstabe l der Verbraucherkreditrichtlinie dahin auszulegen ist, dass in dem Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags geltende Satz der Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben ist.
Die nationale Regelung in Art. 247 § 3 Absatz 1 Nummer 11 EGBGB lässt nach ihrem Wortlaut offen, ob im Darlehensvertrag der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende konkrete Verzugszinssatz mitzuteilen ist. Die Vorschrift erfordere die Unterrichtung über den „Verzugszinssatz“. Dieser Wortlaut sei auslegungsfähig, sodass bei einer richtlinienkonformen Auslegung die bloße Wiedergabe der abstrakten gesetzlichen Regelung den Anforderungen des Art. 247 § 3 Absatz 1 Nummer 11 EGBGB nicht genügt, sondern der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende konkrete Prozentsatz anzugeben ist.
Der vom Kläger mit der Revision verfolgte Klageanspruch aus § 358 Absatz 4 Satz 1 in Verbindung mit § 355 Absatz 3 Satz 1 BGB auf Rückgewähr der von ihm an die Beklagte geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen ist jedoch jedenfalls derzeit unbegründet. Insoweit steht der nach § 358 Absatz 4 Satz 1 in Verbindung mit § 357 Absatz 4 Satz 1 BGB gegenüber dem vorleistungspflichtigen Kläger ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat. Das vorbezeichnete Leistungsverweigerungsrecht stehe der Beklagten auch in Bezug auf die von dem Kläger nach der Widerrufserklärung auf das Darlehen erfolgten Zahlungen zu.
Kategorie: Bank- und Kapitalmarktrecht, 27. Juni 2022
Ansprechpartner:
- Atif Yildirim
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