KG Berlin: Herausgabe von Dokumentation – nur Zug um Zug gegen Zahlung der Vergütung

KG Berlin: Herausgabe von Dokumentation – nur Zug um Zug gegen Zahlung der Vergütung


Kammergericht (KG)
KG Berlin, Urteil vom 18.08.2020 – 21 U 1036/20

Das KG Berlin urteilte am 18.08.2020, dass ein Werkunternehmer nur soweit zur Vorleistung verpflichtet ist, wie es sich aus der Natur des jeweiligen Vertrages ergibt. Wenn der Werkunternehmer mit der Herstellung eines übergabefähigen Werkes beauftragt ist, wird die Übergabe im Zweifel nicht als Vorleistung, sondern nur Zug um Zug gegen die Vergütung geschuldet. Ist der Werkunternehmer mit der Bestandsaufnahme oder Begutachtung eines Bauvorhabens beauftragt, hat er die Dokumentation bzw. sein Gutachten nur Zug um Zug gegen Zahlung der Vergütung zu übergeben. Ist der Werkunternehmer zu der Übergabe aufgrund eines Streites um die Vergütung nicht bereit, kann der Besteller die Übergabe des Gutachtens in begründeten Einzelfällen im Wege einer einstweiligen Verfügung erwirken.

In dem hiesigen Fall wurde der Auftragnehmer mit der Dokumentation der Leistung eines von dem Auftraggeber gekündigten Generalunternehmers beauftragt. Es sollte der Bauzustand und die eventuellen Mängel dokumentiert werden. Der Auftragnehmer erstellte eine Fotodokumentation.

Der gekündigte Generalunternehmer klagte auf Sicherheitsleistung gegen den Auftraggeber. Zur Klageverteidigung forderte der Auftraggeber von dem Auftragnehmer die Übergabe der Fotodokumentation. Der Auftragnehmer erklärte, dass er die Fotodokumentation nur nach Zahlung i. H. v. 25.000 € übergeben werde, was der Auftraggeber aufgrund einer überhöhten Vergütung ablehnte. Der Auftraggeber kündigte daraufhin den Vertrag mit dem Auftragnehmer und verlangte die Herausgabe der Fotodokumentation im Wege der einstweiligen Verfügung.

Nach der Entscheidung des KG Berlin hatte die einstweilige Verfügung Erfolg. Dem Auftraggeber stehe ein Verfügungsanspruch auf Herausgabe aus § 631 Abs. 1 BGB zu. Hierbei sei jedoch zu berücksichtigen, dass der Auftragnehmer nicht zur Vorleistung verpflichtet sei. Der Auftragnehmer sei zwar verpflichtet, das in Auftrag gegebene Werk herzustellen und dem Auftraggeber zu übergeben, während sein Vergütungsanspruch erst „bei“ Abnahme des Werks fällig werde. Somit sei der Auftragnehmer mit der Herstellung des Werks vorleistungspflichtig, denn erst nachdem er sie abgeschlossen habe, sei der Auftraggeber zur Abnahme und Zahlung der Vergütung verpflichtet. Wenn das Werk jedoch als bewegliche Sache oder geistige Leistung auf einem digitalen Speichermedium oder als Ausdruck übergeben werden könne, schulde der Auftragnehmer nach der Abnahme diese Übergabe nicht mehr als Vorleistung, sondern nur Zug um Zug gegen Zahlung der Vergütung. Dies bringe das Gesetz darin zum Ausdruck, dass die Vergütung nach § 641 Abs. 1 BGB „bei der Abnahme“ und nicht etwa „nach der Übergabe“ des Werks fällig werde und folge auch daraus, dass der Werkvertrag ein gegenseitiger Vertrag sei, bei dem im Zweifel keine Partei vorleistungspflichtig sei. Im Interesse einer ausgewogenen Rechtsposition beider Parteien sei im Zweifel von einer Gleichrangigkeit der gegenseitigen Verpflichtungen auszugehen.

Da jedoch hier eine besondere Situation vorgelegen habe, bejahte das KG Berlin das Vorliegen des Verfügungsgrundes an. Der Auftraggeber legte glaubhaft dar, dass er die Fotodokumentation zur Verteidigung gegen die Klage benötige. Das Interesse des Auftraggebers überwiege das Interesse des Auftragnehmers, die Herausgabe zu verweigern. Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung wurde vorliegend davon abhängig gemacht, dass der Auftraggeber eine Sicherheit i. H. v. 30.000 € leistet. Damit wurde dem Gegenseitigkeitsverhältnis der beiden Leistungen Genüge getan.

Kategorie: Bau- und Architektenrecht, Werkvertragsrecht, 22. Oktober 2020



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