BGH: Ersatzfähigkeit von (Fremd-) Finanzierungskosten
Bundesgerichtshof (BGH)
Urteil vom 13.04.2021 – VI ZR 274/20
Der BGH hat entschieden, dass das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit Abschalteinrichtung eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB darstellt. Der Erwerber ist gemäß § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, wie er stünde, als hätte er das Fahrzeug nicht erworben. Neben dem Kaufpreis des Fahrzeugs sind die Finanzierungskosten in voller Höhe zu erstatten. Eine Fremdfinanzierung stellt keinen objektiv erhöhten Nutzungsvorteil des Fahrzeugerwerbers dar, der schadensmindernd zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin erwarb mit Kaufvertrag im Februar 2013 von einem Autohaus einen gebrauchten VW Golf zum Preis von rund 18.500 €. Den Kaufpreis bezahlte sie zum Teil in bar, den Rest finanzierte sie mit einem Darlehen der Volkswagen Bank. Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs, das mit einem von ihr entwickelten und hergestellten Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5, ausgestattet war. Der Motor enthielt eine Steuerungssoftware, die erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand oder im normalen Straßenverkehr befand. Im Prüfstandsbetrieb bewirkte die Software im Vergleich zum Normalbetrieb eine erhöhte Abgasrückführung, wodurch die Grenzwerte für Stickoxidemissionen der Abgasnorm Euro 5 auf dem Prüfstand eingehalten werden konnten.
Der BGH entschied, dass die Klägerin aufgrund einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung gemäß §§ 826, 249 Abs. 1 BGB so zu stellen sei, als sei es nicht zu dem Fahrzeugerwerb gekommen. Wäre es nicht zu dem Kauf des Pkw gekommen, hätte die Klägerin den Kaufpreis nicht teilweise mit einem Darlehen der Volkswagen Bank finanziert.
Der zuständige Senat des BGH führte weiter aus, dass die Klägerin keinen Vorteil erhalten habe, der im Wege der Vorteilsausgleichung schadensmindernd zu berücksichtigen sei. Die Finanzierung verschaffe der Klägerin keinen Liquiditätsvorteil im Vergleich zu dem Zustand, der bestanden hätte, hätte sie vom Kauf Abstand genommen. Der Finanzierungsaufwand diene -wie die Kaufpreiszahlung- dem Erwerb des Fahrzeugs. Der der Klägerin zugeflossenen Nutzungsvorteil sei auf der Grundlage des Kaufpreises zu ermitteln, wobei die Finanzierungskosten nicht zu berücksichtigen seien. Die Finanzierungskosten wirken sich nicht Werterhöhend aus, sodass kein erhöhter Gebrauchsvorteil vorliege, den die Klägerin aus der Nutzung des Fahrzeugs gezogen habe. Ein Fahrzeugkäufer, der den Kaufpreis fremdfinanziere, habe objektiv keinen höheren Nutzungsvorteil je gefahrenem Kilometer als ein Käufer, der das Fahrzeug mit eigenen Mitteln erwerbe.
Kategorie: Kaufrecht, 31. Mai 2021
Ansprechpartner:
- Atif Yildirim
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