OLG Frankfurt a.M. legt EuGH Fragen zum Widerrufsrecht beim Kilometerleasing vor
Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main
Beschluss vom 22.09.2021 – 17 U 42/20
Das OLG Frankfurt a.M. hat dem Europäischen Gerichthof (EuGH) Fragen zum Bestehen eines Verbraucher-Widerrufsrechts nach Abschluss eines Kilometerleasingvertrages vorgelegt. Der EuGH wird um Auslegung der Verbraucherrechte-Richtlinie (RL 2011/83/EU) und der Fernabsatz-Richtlinie für Finanzdienstleistungen (RL 2002/65/EG) ersucht.
Dem zuständigen Senat des OLG Frankfurt a.M. lag folgender Sachverhalt vor:
Der Kläger leaste bei der Beklagten einen Neuwagen. Die Laufzeit des Vertrages betrug 48 Monate. In dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag war kein ordentliches Kündigungsrecht vorgesehen. Der Kläger sollte ein monatliches Entgelt zahlen. Die Beklagte räumte dem Kläger eine Kaufoption zum regulären Vertragsende ein. Es bestand keine Abnahmepflicht des Klägers. Der Vertrag enthielt zudem eine Regelung über die Laufleistung während der Leasingzeit, wobei für Minderkilometer seitens der Beklagten ein Ausgleich gezahlt werden sollte. Bei Mehrkilometern seitens des Klägers sollte eine Vergütung gezahlt werden. Das kalkulatorische Risiko für den Wert des Fahrzeugs bei Vertragsende trug die Beklagte. Der Vertrag wurde unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen (sog. „Fernabsatzvertrag“).
Der Kläger widerrief seine auf Abschluss des Vertrags abgegebene Willenserklärung und verlangt nunmehr die Rückabwicklung des Leasingvertrages. Das Landgericht (LG) hatte die Klage abgewiesen. Das OLG Frankfurt a.M. hat nunmehr das Berufungsverfahren ausgesetzt und gemäß Artikel 267 Absatz 1, Absatz 2 AEUV dem EuGH Fragen zum Ausschluss und der Befristung eins fernabsatzrechtlichen Widerrufsrecht zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Die Vorlagefragen lauten:
Stellen Kraftfahrzeug-Leasingverträge mit einem Verbraucher mit Kilometerabrechnung mit einer Laufzeit von 48 Monaten Dienstleistungen in dem Bereich „Mietwagen“ dar und unterfallen sie deshalb dem Ausnahmetatbestand für ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht gemäß Artikel 16 lit. I) RL 2001/83/EU?
Wenn die Frage verneint wird:
Stellen Kraftfahrzeug-Leasingverträge mit einem Verbraucher mit Kilometerabrechnung Verträge über Finanzdienstleistungen im Sinne von Artikel 2 lit. b) RL 2002/65/EG, die von Artikel 2 Nummer 12 RL 2011/83/EU übernommen wurde, dar?
Der Bundesgerichtshof (BGH) habe das Bestehen eines Widerrufsrechts nach § 506 BGB verneint. Nach der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung seien derartige Verträge nicht als sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe einzuordnen, da in ihnen keine Verpflichtung zum Erwerb des Leasinggegenstandes vorgesehen sei und die Richtlinie 2008/48/EG (zweite Verbraucherkreditverträge-RL) derartige Vertragsgestaltungen ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich herausnehme (BGH, Urt. v. 24.02.2021 – VIII ZR 36/20).
Damit hänge der Ausgang des Rechtsstreits nach Auffassung des OLG Frankfurt a.M. davon ab, ob dem Kläger ein Widerrufsrecht aus dem Fernabsatzvertrag zusteht. Die oben angeführte Richtlinie (2011/83/EU), die mit § 312g Absatz 2 Nummer 9 BGB in das deutsche Recht umgesetzt wurde, nehme Dienstleistungen im Bereich Kraftfahrzeugvermietung zu einem bestimmten Termin oder Zeitraum aus dem Anwendungsbereich des Widerrufsrechts heraus. Damit stelle sich die Frage, ob in den Bereich der Mietwagen auch Leasingverträge mit Kilometerabrechnung fallen, nachdem bei diesen Verträgen die Gebrauchsüberlassung wie bei der reinen Miete im Vordergrund stehe und der EuGH zur Vorgängernorm entschieden habe, dass Automietverträge als Dienstleistungen im Bereich „Beförderung“ anzusehen seien (vgl. EuGH, Urt. v. 10.3.2005 – C 336/03). Die höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Frage sei daher uneinheitlich.
Sollte der EuGH die vorgenannte Frage verneinen, sei zu klären, ob für die Ausübung des Widerrufsrechts eine Ausschlussfrist von 12 Monaten nach Ablauf der ursprünglichen Widerrufsfrist von 14 Tagen bestehe. Von diesem Ausschlusstatbestand habe § 356 Abs. 3 S. 3 BGB ausdrücklich Verträge über Finanzdienstleistungen ausgenommen. Finanzdienstleistungen würden in der Richtlinie 2002/65/EG als Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung definiert. Nachdem bei der vorliegenden Art des Leasingvertrages der Finanzierungscharakter der Dienstleistung nicht im Vordergrund stehe, erwäge der Senat des OLG, das Vorliegen einer Finanzdienstleistung zu verneinen. Da die Frage nicht eindeutig zu beantworten sei, sei auch insoweit eine Vorlage an den EuGH veranlasst.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main vom 24.09.2021.
Kategorie: Kaufrecht, Leihvertrag, Mietrecht, 03. Dezember 2021
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