Wird einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben zur Schlussrechnung nicht unverzüglich widersprochen, gilt das Schweigen als Zustimmung und kann zum Verlust weiterer Werklohnansprüche führen.
OLG Bamberg, Urteil vom 20.07.2023 – 12 U 9/22; (BGH, Beschluss vom 07.08.2024 – VII ZR 167/23)
Der Fall:
Ein Bauunternehmer (Auftraggeber) beauftragte einen Elektrofachbetrieb (Auftragnehmer) mit Elektroeinlegearbeiten für ein Bauvorhaben zu einem Einheitspreis von 54.633,53 Euro. Nach Abnahme im Dezember 2014 der Arbeiten zahlte der Auftraggeber den Werklohn nicht vollständig.
Mit Schreiben vom 17.09.2019 erklärte der Auftraggeber, die geprüfte Abschlagsrechnung vom 21.07.2014 sei als Schlussrechnung anzusehen. Gleichzeitig kündigte er an, den Einbehalt für Gewährleistungsansprüche erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist auszuzahlen.
Der Auftragnehmer reagierte nicht auf dieses Schreiben und forderte später den offenen Restwerklohn. Den Werkverträgen waren jeweils die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültige Fassung der VOB/B zugrunde gelegt.
Die Entscheidung:
Das OLG Bamberg entschied zugunsten des Auftraggebers. Der Auftragnehmer habe durch sein Schweigen auf das Schreiben des Auftraggebers vom 17.09.2019 einer Vertragsänderung zugestimmt. In der Regel stelle bloßes Schweigen keine Willenserklärung dar, sondern das Gegenteil einer Erklärung.
Im Handelsverkehr gebe es jedoch Ausnahmen, insbesondere bei einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben.
Nach den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens gemäß § 346 Abs. 1 HGB, wird ein Vertrag mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens wirksam, wenn der Empfänger nicht unverzüglich widerspricht. Dies gilt auch dann, wenn der Empfänger den Inhalt des Schreibens nicht aktiv bestätigt. Widerspricht der Empfänger eines solchen Schreibens nicht unverzüglich, gilt der Vertrag mit dem im Schreiben festgehaltenen Inhalt als angenommen – außer, das Schreiben weicht offensichtlich oder bewusst unzutreffend vom Verhandlungsergebnis ab.
Da der Auftragnehmer dem Schreiben des Auftraggebers nicht rechtzeitig widersprochen hatte, wurde dessen Schweigen als Zustimmung gewertet. Die Zustimmung hatte dann zur Folge, dass die Parteien die in § 2 Abs. 3 VOB/B geregelte Möglichkeit der Preisänderung durch Individualvereinbarung ausgeschlossen haben. Dadurch besteht auch keine Nachtragsforderung des Auftragnehmers mehr.
Bewertung/Folgen:
Dieses Urteil verdeutlicht die Bedeutung eines rechtzeitigen Widerspruchs bei kaufmännischen Bestätigungsschreiben, auch im Kontext von Schlussrechnungen. Die anschließende vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung kann dann -ungeachtet einer etwaigen Belehrung über die Schlusszahlungseinrede gemäß § 16 Abs. 3, Nr. 2 VOB/B- zur Folge haben, dass der Auftragnehmer keinen weiteren Werklohnanspruch geltend machen kann.
Kategorie: Bau- und Architektenrecht, Werkvertragsrecht, 12. Dezember 2024
Ansprechpartner:
- Atif Yildirim
- Vitalij Strachun
- Lukas Kohl
- Felix Maximilian van Bahlen
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