Ausschlussfristen und Mindestentgelt
Bundesarbeitsgericht (BAG)
Urteil vom 24. August 2016 – 5 AZR 703/15
Eine vom Arbeitgeber als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellte arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung, die auch den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 der am 1. August 2010 in Kraft getretenen Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV) erfasst, verstößt im Anwendungsbereich dieser Verordnung gegen § 9 Satz 3 in Verbindung mit § 13 AEntG*.
Die Klägerin war vom 15. Juli bis zum 15. Dezember 2013 beim Beklagten, der damals einen ambulante Pflegedienst betrieb, als Pflegehilfskraft beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthielt als Allgemeine Geschäftsbedingung eine Verfallklausel, nach der alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Bei Ablehnung oder Nichtäußerung der Gegenpartei binnen zwei Wochen nach der Geltendmachung sollte Verfall eintreten, wenn der Anspruch nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
Die Klägerin war vom 19. November bis zum 15. Dezember 2013 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Beklagte hatte trotz ärztlicher Bescheinigung Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit und leistete keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. In dem von der Klägerin am 2. Juni 2014 anhängig gemachten Verfahren hat sich der Beklagte darauf berufen, der Anspruch sei jedenfalls wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung verfallen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision des Beklagten ist im Wesentlichen erfolglos geblieben. Die Klägerin hat für den durch die Arbeitsunfähigkeit bedingten Arbeitsausfall nach § 3 Abs. 1 EFZG Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Diesen musste sie nicht innerhalb der arbeitsvertraglich vorgesehenen Fristen geltend machen. Die nach Inkrafttreten der PflegeArbbV vom Beklagten gestellte Klausel verstößt gegen § 9 Satz 3 AEntG und ist deshalb unwirksam, so dass der Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV nicht wegen Versäumung der vertraglichen Ausschlussfrist erlischt. Für andere Ansprüche kann die Klausel nicht aufrechterhalten werden, weil dem das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB** entgegensteht.
Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. August 2016
Anmerkung: Unternehmen der Pflegebranche sollten überprüfen, ob die vertraglichen Ausschlussfristen in ihren Arbeitsvertragsmustern den Anspruch auf das Mindestentgelt nach der Pflegearbeitsbedingungenverordnung ausdrücklich ausnehmen. Wenn das nicht der Fall ist, droht die Gesamtunwirksamkeit der vertraglichen Ausschlussklausel.
Des Weiteren sollten sämtliche Unternehmen aufgrund der zum 01.10.2016 erfolgenden Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 309 Ziff. 13 neue Fassung) ihre Arbeitsvertragsmuster dahingehend überprüfen und anpassen lassen, dass die Ausschlussfrist künftig nur noch die Textform und nicht mehr die Schriftform vorsehen darf. Andernfalls droht wiederum die Unwirksamkeit der vertraglichen Ausschlussklausel.
Kategorie: Arbeitsrecht, Pflege & Recht, 28. August 2016
Ansprechpartner:
- Peter Sausen
- Bernd Wonschik
- Matthias Ecks
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