Bau- und Architektenrecht: Ausführungsverzicht ist keine Mengenminderung im Sinne des § 2 Abs. 3 VOB/B
Der Fall:
Die Klägerin begehrt die Zahlung rechtlichen Werklohns.
Die Beklagte beauftragte die Klägerin für den Neubau eines Verwaltungsgebäudes mit der Erstellung und Einbaus von Metallbaufenstern sowie einer Pfostenriegelkonstruktion nebst Sonnenschutz. Dabei wurden auf Grundlage des § 2 Abs. 2 VO/B Einheitspreise bestimmt.
Für die Beklagte war ein externes Planungsbüro sowie ein Bauleiter tätig.
Da anstelle der ursprünglich geplanten Fenster Lamellen-Lüftungsgitter montiert wurden, kamen Leistungen aus zwei vereinbarten Positionen nicht zur Ausführung. Dies wurde der Beklagten mitgeteilt.
Die Klägerin teilte der Beklagten daraufhin mit, dass das Material verkauft wurde und die Materialkosten 55 % des angegebenen Positionspreises betragen, wobei eine Rücknahme und Stornierung ausgeschlossen seien.
Die Beklagte behauptet, die Klägerin sei zur Materialbeschaffung nicht beauftragt gewesen und eine Freigabe sei nicht erfolgt.
Das Landgericht stellte fest, dass die Voraussetzungen einer Preisanpassung nach § 2 Abs. 3 VOB/B nicht hinreichend dargelegt seien.
Die Klägerin wendete sich mit der Berufung gegen dieses Urteil.
Die Entscheidung:
Bezüglich der Vergütung von 55 % des Materialanteils entschied das OLG, dass der Auftragsnehmer einen Anspruch nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B haben könne, wenn sogenannte Nullpositionen vorliegen, also Leistungspositionen im VOB/B-Einheitspreisvertrag entfallen.
§ 2 VOB/B regelt die Vergütung von Bauleistungen. Diese wird regelmäßig auf Grundlage von Einheitspreisen berechnet, wenn nichts anderes vereinbart ist.
Nicht selten kommt es vor, dass diese Einheitspreise bei tatsächlicher Ausführung abweichen. Die Vergütung wird dann nach den in § 2 Abs. 3 VOB/B aufgeführten Vorschriften geregelt.
Zwar fielen im vorliegenden Sachverhalt 55 % des Materialanteils an, welcher nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B verlangt werden könne. Es kommt jedoch der Umstand hinzu, dass der Auftragsgeber auf zwei einzelne Positionen verzichtete.
Das Gericht wendete daher ein, für eine Anwendung des § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B sei eine vom Regelungsgehalt dieser Vorschrift umfasste Äquivalenzstörung erforderlich.
Da es bei Schätzungen im Rahmen von Einheitspreisverträgen häufig zu einer Abweichung bei der tatsächlichen Begebenheit komme, solle der Regelungsgehalt einen interessengerechten Ausgleich für Mengenänderungen herbeiführen.
Ein Verzicht seitens des Auftraggebers auf eine bestimmte Position falle jedoch gerade nicht unter diesen Regelungsgehalt. Dieser Umstand sei nicht mit der Ungenauigkeit einer Prognose vergleichbar. Eine Äquivalenzstörung durch Mengenminderung im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B liege daher nicht vor.
Es komme eine Abrechnung nach § 8 VOB/B bzw. § 648 BGB in Betracht, sofern eine einvernehmliche Vertragsbeendigung vorliegt und sich die Parteien in Folge dieser nicht anderweitig geeinigt haben.
Die Klägerin habe Anspruch auf die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen. Ihre Kalkulationsgrundlage sei dabei der Gesamtauftrag gewesen. Unerheblich sei dabei, ob eine Teilkündigung zulässig war, da beide Positionen im Einvernehmen der Parteien nicht zur Ausführung kamen.
Kategorie: Bau- und Architektenrecht, Werkvertragsrecht, 20. September 2024
Ansprechpartner:
- Atif Yildirim
- Vitalij Strachun
- Lukas Kohl
- Berfin Ocak
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