Baurecht: Rechtsfolgen der Kündigung bei unfertigen Bauarbeiten und die Vergütung von „Fachkräften“

Baurecht: Rechtsfolgen der Kündigung bei unfertigen Bauarbeiten und die Vergütung von „Fachkräften“


OLG Köln
11 U 18/20

Der Fall: 

Der Beklagte beauftragte die Klägerin als Subunternehmerin, um Sanitär- und Lüftungsmontageleistungen zu erbringen

Die Parteien vereinbarten, dass die Subunternehmerin Fachpersonal einzusetzen hatte. Danach richtete sich auch explizit der festgesetzte Stundenlohn.

Entgegen der Vereinbarung setzte die Klägerin fast keine formal qualifizierten Facharbeiter ein.

Im August 2017 erklärte der Beklagte per E-Mail die Kündigung mit sofortiger Wirkung für beide Bauvorhaben. Zudem erklärte er ein Betretungsverbot.

Auf die Kündigung teilte die Klägerin per Mail mit, dass keine abschließende Druckprüfung, auch „Abdrücken“ genannt, erfolgt ist.

Unter einer solchen versteht man in der Installationstechnik eine Druck- und Dichtheitsprüfung verlegter Rohrleitungen, indem man das Leitungssystem mit Wasser und auf größeren Baustellen auch sehr häufig mit Luft oder Stickstoff füllt und über eine bestimmte Zeitdauer Druck ausübt. An einem Messgerät lässt sich dann feststellen, ob der Druck gehalten wird oder ob Verluste auftreten.

Die Leistungen der Klägerin waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertig gestellt.

Bei der Abnahme durch die (Haupt-)Auftraggeberin wurden an dem Bauvorhaben Wasseraustritte beklagt. Diese entstanden durch Undichtigkeiten sowie nicht gepresste Stellen an den Heiz- und Wasserleitungen.

Eine Verantwortung für den Schaden wies die Klägerin von sich und stützte ihren Standpunkt vor allem darauf, dass zum Zeitpunkt der Kündigung des Vertrages die Leistungen nicht fertig gestellt waren und demzufolge auch keine abschließende Druckprobe geschuldet war.

Mit der Klage begehrte die Klägerin die Zahlung des Restwerklohns, den der Beklagte aufgrund der Mängel zurückbehielt. Die Rechnungen gründen überwiegend auf Stundenlohnzetteln, die sich die Klägerin abzeichnen ließ.

Zusammenfassend trug er vor, dass die Klägerin ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei, insbesondere hinsichtlich der Druckprobe sei sie noch zur Durchführung verpflichtet gewesen. Jedenfalls hätte die Klägerin eine umfassende Informierung darüber pflichtwidrig unterlassen. Die Mail dazu sei nicht eindeutig und nicht ausreichend gewesen.

Die Entscheidung:

Auf die von unserer Kanzlei geführten Berufung des Beklagten hin, entschied das OLG Köln mit Urteil, dass die Klägerin lediglich einen deutlich geringeren Anspruch auf Zahlung der Werklohnforderung habe.

Der 11. Zivilsenat stellte fest, dass ein zum Zeitpunkt der Kündigung unfertiges Werk keinen Sachmangel darstelle, sondern dass dies üblicherweise dem Umstand der sofortigen Vertragsbeendigung geschuldet ist.

Zudem war es dem Beklagten aufgrund der E-Mail-Kommunikation bereits bekannt, dass keine Druckprüfung stattgefunden hat.

Eine weitergehende Hinweispflicht oder sogar eine Pflicht zur Durchführung der Druckprüfung bestehe nach Kündigung nicht. Insbesondere war dies der Klägerin nach einem erklärten Betretungsverbot auch nicht mehr zuzumuten. Etwaige behauptete Schäden würden, unter Berücksichtigung des Kündigungszeitpunktes, nicht in den Verantwortungsbereich der Klägerin fallen.

Allerdings reduzierte es den Anspruch der Klägerin für die erbrachten Leistungen erheblich.

Nach der zwischen den Parteien getroffenen Preisvereinbarung sollten die Leistungen durch Fachpersonal erbracht werden. Deswegen könne der volle Betrag auch nur dann gefordert werden, wenn dies auch tatsächlich so eingetreten sei. Die Unterzeichnung der Stundenlohnzettel diene dabei nur dem Nachweis, dass die Leistungen ausgeführt worden sind. Es handelt sich dabei aber nicht um eine Bestätigung der Abrechenbarkeit.

Der Beklagte konnte dagegen überzeugend darlegen, dass die Klägerin auf der Baustelle nur einen einzigen gelernten Monteur und ansonsten ungelernte Helfer eingesetzt hatte.

Die Klägerin konnte nicht belegen über welche genauen beruflichen Qualifikationen die einzelnen eingesetzten Mitarbeiter verfügten; unklar bleibt auch in welchem Umfang diese nun genannten Facharbeiter konkret auf der Baustelle tätig geworden waren.

Im Übrigen reiche es nicht aus auf langjährige Erfahrungen zu verweisen; es sei eine formale Qualifikation zu verlangen. Beim Stundenlohnvertrag mit einen festen Stundenlohnsatz hänge dessen Höhe schließlich gerade von der Qualifikation und Funktion desjenigen ab, der die Arbeiten ausführe.

Im Ergebnis hat der Senat im Wege der Schätzung gemäß § 287 Absatz 2 ZPO einen Abschlag in Höhe von 25 % sämtlicher abgerechneter Stunden vorgenommen.

Bewertung und Folgen:

Die Konkretisierung der Hinweispflicht über den Status der Arbeiten und die Beschränkung der Pflichten des Auftragnehmers nach erfolgter vorzeitiger Kündigung durch den Auftraggeber ist im Ergebnis zu begrüßen.

Allerdings ist die Entscheidung vor allem für die Praxis auf Baustellen in anderer Hinsicht von größerer Bedeutung:

Das OLG Köln hat mit der Entscheidung der Gleichsetzung von langjähriger Erfahrung mit formaler Qualifikation im Werkvertragsrecht eine deutliche Absage erteilt. Es genügt demnach nicht, wenn die Arbeitskraft die Arbeiten schon lange ausführt, sonders ist ein Ausbildungsnachweis zu erbringen.

Baufirmen sollten es in Zukunft tunlichst vermeiden die Stundenlohnhöhe von der Qualifikation abhängig zu machen. Realistischerweise kann das Einsetzen von Fachkräften heutzutage nur in seltenen Fällen garantiert werden. Vor allem bei Großprojekten ist das aus organisatorischen Gründen selten umsetzbar.

Sofern sich das Bauunternehmen doch dazu entscheidet, eine solche Verpflichtung einzugehen, sollte jeder eingesetzte Arbeiter seine Qualifikation nachweisen können. Ansonsten wird riskiert, dass bei der Geltendmachung des Werklohns erhebliche wirtschaftliche Einschnitte hingenommen werden müssen.

Im Übrigen ist die Entscheidung des OLG Köln, das Abzeichnen von Stundenzettel nicht als Schuldanerkenntnis zu bewerten, im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH. Der Mythos der abgezeichneten Stundenzettel wird wohl dennoch auf absehbare Zeit kaum auszuräumen sein.

Kategorie: Bau- und Architektenrecht, Werkvertragsrecht, 19. März 2024



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