Baurecht: Übersicherung durch „Zusammenspiel“ mehrerer Klauseln unwirksam
Der Fall:
In dem vom Auftraggeber vorgegebenen Generalunternehmervertrag war in den allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt, dass der Auftragnehmer gem. § 16.1 eine Vertragserfüllungsbürgschaft i.H.v. 10%, die auch Mängelansprüche nach Abnahme sichern soll, und gem. § 16.2 zusätzlich eine Mängelansprüchesicherheit von 5% der Brutto-Auftragssumme zu stellen hat.
Der Auftragnehmer wurde in der Folgezeit vom Auftraggeber auf Leistung aus dieser Bürgschaft verklagt. Ersterer wendete ein, dass die der Bürgschaft zu Grunde liegende AGB-Sicherungsklausel unwirksam sei. Das LG Hannover bestätigte die Unwirksamkeit der Sicherungsklausel, wogegen der Auftraggeber Berufung einlegt.
Die Entscheidung:
Das OLG Celle hat die Berufung mit Beschluss 14 U 28/22 vom 10.10.2022 zurückgewiesen. Der BGH hat die Revision mit Beschluss vom 11.10.2023 – VII ZR 204/22 nicht zur Entscheidung angenommen.
In der Praxis der privaten Bauwirtschaft wird als Sicherung von Mängelansprüchen höchstens 5% der Abrechnung im Regelfall als angemessen angesehen. Da die Vertragserfüllungsbürgschaft nach Abnahme nicht zurückgegeben worden war, bestand im Ergebnis eine Mängelanspruchsabsicherung in Höhe von 15% der Brutto-Auftragssumme.
Die getroffenen Vereinbarungen benachteiligen den Auftragnehmer unangemessen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits der Fall, wenn die Sicherung von Vertragserfüllungsansprüchen eine Größenordnung von 10 % überschreiten. Dass es hier de facto nicht mehr zur Ablösung des Sicherheitseinbehalts durch Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft über weitere 5 % der Bruttoauftragssumme gem. § 16.2 des Vertrags gekommen ist, führe zu keiner anderen Bewertung. Maßgeblich für die Unangemessenheit sei der Zeitpunkt des Vertragsschlusses und das damit schon bestehende potenzielle „Übersicherungsrisiko“.
Aus den vom Auftraggeber vorgegebenen Sicherungsklauseln 16.1 und 16.2 kann sich durch ihr Zusammenwirken eine unangemessen hohe Mängelansprüchesicherheit von 15% ergeben. Die Klauseln sind nicht isoliert, sondern im Zusammenhang und in Bezug auf die genannten Regelungen in einer Gesamtschau zu betrachten. 16.1 und § 16.2 des Generalunternehmervertrags sind danach insgesamt für die Hauptschuldnerin nachteilig und kumulieren verschiedene Risiken einseitig und unangemessen.
Kategorie: Bau- und Architektenrecht, Werkvertragsrecht, 14. Mai 2024
Ansprechpartner:
- Atif Yildirim
- Vitalij Strachun
- Lukas Kohl
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