BGH: Finanz- und Lohnbuchhaltung als Dienste höherer Art
Bundesgerichtshof (BGH)
Urteil vom 02.05.2019 – IX ZR 11/18
Der IX. Zivilsenat des BGH hatte erst vor kurzem über den folgenden Sachverhalt zu entscheiden:
Der Kläger, ein Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, und die Beklagte schlossen einen Steuerberatungsvertrag. Gegenstand des Vertrages waren „Erstellung der Jahresabschlüsse einschließlich Gewinn- und Verlustrechnung, Jahressteuererklärungen, Buchführungsarbeiten sowie Beratung in allen steuerlichen Angelegenheiten einschließlich Rechtsbehelfe“. Der Vertrag lief auf mindestens ein Jahr und sollte sich um jeweils ein weiteres Jahr verlängern, wenn er nicht drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wurde.
Der Kläger erbrachte die Tätigkeiten der Finanzbuchhaltung und der Lohnbuchhaltung für die Beklagte. Daraufhin kündigte die Beklagte den Vertrag unter Hinweis auf einen Beraterwechsel und bat den Kläger, der neuen Steuerberaterin alle notwendigen Unterlagen, Informationen und Akten zur Verfügung zu stellen. Der Kläger berechnete der Beklagten für die Buchführung monatliche Vorschusszahlungen. Durch eine Endabrechnung verlangte der Kläger für das ganze Jahr von der Beklagten eine weitere Zahlung. Außerdem beanspruchte er aus der Buchführung monatliche Vorschusszahlungen.
Die Zahlungsklage wurde von den Vorinstanzen abgewiesen.
Der BGH gab nun mit seiner Entscheidung den Vorinstanzen Recht.
Die Klageforderung sei deshalb unbegründet, da die Beklagte das Vertragsverhältnis zu dem Kläger auf der Grundlage von § 627 Abs. 1 BGB wirksam gekündigt habe. Ab diesem Zeitpunkt könnten weitere, mit der Klage geltend gemachte Honorarforderungen des Klägers nicht anfallen.
Ein Steuerberatungsvertrag habe Dienste höherer Art zum Gegenstand. Beide Vertragspartner könnten sich auf das Kündigungsrecht des § 627 Abs. 1 BGB berufen.
Nach dieser Vorschrift sei bei einem Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 622 BGB sei, die Kündigung auch ohne die in § 626 BGB bezeichnete Voraussetzung eines wichtigen Grundes zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete, ohne in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen zu stehen, Dienste höherer Art zu leisten habe, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Diese Voraussetzungen seien bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters gegeben.
Dienste höherer Art könnten solche sein, die besondere Fachkenntnis, Kunstfertigkeit oder wissenschaftliche Bildung voraussetzen oder die den persönlichen Lebensbereich betreffen. Steuerberater leisten in der Regel Dienste höherer Art. Der ihnen erteilte Auftrag könne jederzeit und ohne Angabe von Gründen mit sofortiger Wirkung beendet werden.
Es sei für die Einstufung einer Leistung als Dienst höherer Art ohne Bedeutung, ob der Berufsträger sie selbst vornehme oder ob er sie – im Rahmen seiner Berufspflichten – durch einen Helfer unter seiner Verantwortung vornehmen lasse. Das in § 627 Abs. 1 BGB vorausgesetzte generelle persönliche Vertrauen könne darum auch dann vorliegen, wenn es sich bei dem Dienstverpflichteten um eine juristische Person handele. Zur fristlosen Kündigung sei sowohl der Berater als auch der Auftraggeber berechtigt.
Der gesetzgeberische Grund für die jederzeitige Möglichkeit zur Lösung eines Dienstverhältnisses liege nämlich in dem Vertrauen, von dem derartige Dienstverhältnisse getragen werden. Der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 627 Abs. 1 BGB, nur Personen des eigenen Vertrauens mit der steuerlichen Beratung befassen zu dürfen, würde nicht erreicht, wenn der Auftraggeber gezwungen wäre, den wegen entzogenen Vertrauens wirksam gekündigten Berater bestimmte Teilleistungen weiterhin erbringen zu lassen, zumal wenn er ihm dann weiterhin und erneut Einblicke in vertrauliche Einzelheiten seiner Berufs-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse gewähren müsste.
Der Kläger wurde angesichts der von ihm in allen steuerlichen Angelegenheiten geschuldeten Beratung von der Beklagten mit der Erbringung von Diensten höherer Art im Sinne des § 627 Abs. 1 BGB betraut. Dieser Bewertung stehe nicht entgegen, dass der Auftrag daneben die Fertigung der Finanz- und Lohnbuchhaltung umfasste.
Die Durchführung der Finanz- und Lohnbuchhaltung habe für sich genommen keine Dienste höherer Art zum Gegenstand, weil diese Tätigkeit keine besondere wissenschaftliche, künstlerische oder technische Vorbildung erfordere. Die Fertigung der Finanz- und Lohnbuchhaltung gehöre zum Berufsbild der Steuerberater, sei diesen aber nicht vorbehalten.
Aber auch solche Tätigkeiten seien Dienste höherer Art, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – Bestandteil eines einheitlichen Dienstvertrages seien, der auch die steuerliche Geschäftsbesorgung zum Gegenstand habe.
Nach dem Wortlaut des § 627 Abs. 1 BGB sei eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt, wenn der Dienstverpflichtete Dienste höherer Art „zu leisten hat“. Daraus folge, dass für die Anwendung des § 627 BGB nicht darauf abzustellen sei, ob die geleisteten Dienste tatsächlich solche höherer Art seien, sondern nur darauf, ob es der Dienstverpflichtete vertraglich übernommen habe, solche Dienste höherer Art zu leisten. Die Richtigkeit dieser Annahme ergebe sich aus dem Grundsatz der Privatautonomie. Werde die Verpflichtung, Dienste höherer Art zu erbringen, von den Parteien vereinbart, ergebe sich daraus die Anwendung des § 627 BGB.
Kategorie: Dienstvertrag, 06. Juni 2019
Ansprechpartner:
- Atif Yildirim
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