BGH: Keine pauschale Ad-Hoc-Mitteilungspflicht wegen unwahrer öffentlicher Verlautbarung in einer Pressemitteilung
Bundesgerichtshof (BGH)
Beschluss vom 17. Dezember 2020 – II ZB 31/14
Der BGH hat in einem Kapitalanleger-Musterverfahren zur Verletzung kapitalmarktrechtlicher Informationspflichten beschlossen, dass eine unwahre öffentliche Verlautbarung in einer Pressemitteilung eine Ad-Hoc-Mitteilungspflicht hinsichtlich der Unrichtigkeit der Angaben erst dann begründet, wenn sie zu einer mitteilungspflichtigen Insiderinformation führt. Dagegen besteht keine Ad-Hoc-Mitteilungspflicht, wenn die Angabe in der Pressemitteilung unzutreffend ist.
Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Hypo Real Estate AG (HRE) war Konzernspitze der Hypo Real Estate-Gruppe (HRE-Gruppe). Im Bestand der HRE-Gruppe befanden sich seit Mitte 2007 strukturierte Wertpapiere, sog. „Collaterlized Debt Obligations“, die einen dominierenden Bezug zu US-amerikanischen Immobilienkrediten (US-CDO) mit einem kumulierten Nominalwert von umgerechnet rund 1,5 Mrd. € hatten.
Am 10.07.2007 kündigten Ratingagenturen an, dass bestimmte CDO einer näheren Prüfung zu unterziehen seien. Mittels einer Ad-Hoc-Meldung vom 11.07.2007 teilte die HRE ein vorläufiges Konzernergebnis vor Steuern im zweiten Quartal 2007 von rund 183 Mio. € mit. Zudem prognostizierte der Vorstand für das Geschäftsjahr 2007 ein Konzernergebnis mit einer zu erwartenden Erhöhung von 680 Mio. € auf 710 Mio. €.
Am 30.07.2007 wurde bekannt, dass die IKB Deutsche Industriebank AG durch eine Stützungsmaßnahme von ca. 8,1 Mrd. € gerettet werden musste.
Die HRE bestätigte ihre Prognose in der Pressemeldung vom 03.08.2007 und erläuterte, dass die HRE-Gruppe aufgrund der aktuellen Marktentwicklungen keine Belastungen erwarte. In der Pressemeldung vom 03.08.2007 wurde der Umfang des US-CDO-Portfolios offen gelegt.
Unter dem 07.11.2007 wurde eine Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden publiziert, wonach die HRE-Gruppe gestärkt aus der Marktkrise hervorgegangen sei.
Nachdem am 12.11.2007 eine weitere Ratingagentur CDO herabstuften, überarbeitete die HRE-Gruppe ihr Modell zur Bewertung ihrer CDO, die ebenfalls von der Herabstufung umfasst waren.
Per Ad-Hoc-Meldung vom 15.01.2008 teilte die HRE mit, dass die Neubewertung des US-CDO-Portfolios zu Aufwendungen von rund 390 Mio. € geführt habe, wovon 290 Mio. € ergebniswirksam gewesen seien. Der Aktienkurs der HRE sank am Börsentag vom 15.01.2008 von 33,10 € auf 21,64 €.
Vor dem Landgericht (LG) München wurden eine Vielzahl von Schadensersatzklagen gegen die HRE und ihren früheren Vorstandsvorsitzenden erhoben. Die Schadensersatzklagen wurden auf Informationspflichtverletzungen des Kapitalmarktes im Zeitraum vom 11. Juli 2007 bis 15. Januar 2008 gestützt.
Das Oberlandesgericht (OLG) München erließ auf einen Vorlagebeschluss des LG München einen Musterentscheid. In dem Musterentscheid stellte der zuständige Senat fest, dass u. a. Informationspflichtverletzungen im Zusammenhang mit den Pressemitteilungen vom 03.08.2007 und 07. 11.2007, den Auswirkungen der US-Immobilienkrise ab dem 15. November 2007 sowie der Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 vorlagen. Informationspflichtverletzungen vor dem 03.08.2007 wurden nicht festgestellt.
Der BGH hob den Musterentscheid des OLG München teilweise auf. Nach Auffassung des BGH seien die Feststellungen des OLG München teilweise zu beanstanden.
Hinsichtlich der Pressemitteilung vom 03.08.2007 verneinte der BGH ebenso wie das OLG München eine Informationspflichtverletzung. So sei die auf die bisherigen Quartalsergebnisse gestützte Ergebnisprognose für das Geschäftsjahr 2007 weder wegen einer fehlerhaften Bilanzierung der US-CDO noch aufgrund einer fehlerhaften Einschätzung der für das zweite Halbjahr 2007 zu erwartenden Geschäftsrisiken zu beanstanden gewesen.
Nicht zu beanstanden sei weiter die Feststellung, dass die Pressemitteilung vom 03.08.2007 unwahre und unvollständige Angaben enthielt. Selbiges gelte für die Feststellung, dass die Ad-Hoc-Meldung der HRE vom 15.01.2008 nicht unverzüglich i.S.v. § 15 Abs. 1 WpHG a.F. veröffentlicht wurde; die Mitteilungspflicht bestand bereits am 08.01.2008 und die HRE war nicht von der Veröffentlichungspflicht befreit.
Allerdings sei – entgegen dem OLG München – die HRE nicht deshalb verpflichtet gewesen, die in der Pressemitteilung enthaltenen Aussagen durch eine Ad-Hoc-Meldung zu korrigieren. Eine unwahre öffentliche Verlautbarung in einer Pressemitteilung begründet eine Ad-Hoc-Mitteilungspflicht hinsichtlich der Unrichtigkeit der Angaben erst, wenn sie zu einer mitteilungspflichtigen Insiderinformation führt, nicht schon, weil sie unzutreffend sei.
Kategorie: Bank- und Kapitalmarktrecht, 26. Februar 2021
Ansprechpartner:
- Atif Yildirim
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