Bundesgerichtshof entscheidet über Anspruch eines Neuwagenkäufers auf Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs

Bundesgerichtshof entscheidet über Anspruch eines Neuwagenkäufers auf Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs


Bundesgerichtshof (BGH)
Urteil vom 24. Oktober 2018 – VIII ZR 66/17

Der Kläger kaufte von der Beklagten einen von dieser hergestellten Neuwagen BMW X3 xDrive20, der im Jahr 2012 geliefert wurde. Das dem damaligen Serienstandard entsprechende Fahrzeug ist mit einem Schaltgetriebe sowie einer Software ausgestattet gewesen, die bei drohender Überhitzung der Kupplung eine Warnmeldung eingeblendet hat.

Ab 2013 erschien im Textdisplay des Autoradios mehrfach eine Warnmeldung, die den Fahrer aufforderte, das Fahrzeug vorsichtig anzuhalten, um die Kupplung (bis zu 45 Minuten) abkühlen zu lassen. Nachdem diese Warnmeldung auch nach mehreren Werkstattaufenthalten des Fahrzeugs in einer Niederlassung der Beklagten wiederholt aufgetreten war, verlangte der Kläger schließlich Mitte 2013 von der Beklagten Lieferung eines mangelfreien Neufahrzeuges.

Die Beklagte hat einen Mangel in Abrede gestellt. Sie habe dem Kläger mehrfach mitgeteilt, dass die Kupplung technisch einwandfrei sei und auch im Fahrbetrieb abkühlen könne; es sei deshalb nicht notwendig, das Fahrzeug anzuhalten, wenn die Warnmeldung der Kupplungsüberhitzungsanzeige erscheine. Während des anschließend geführten Rechtsstreits gab der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug im Jahr 2014 im Rahmen eines Kundendienstes in eine Werkstatt der Beklagten. Die Beklagte behauptet, dabei sei ein zwischenzeitlich zur Verfügung stehendes Software-Update mit einer korrigierten Warnmeldung aufgespielt worden.

Das OLG hat der auf Ersatzlieferung eines entsprechenden Neufahrzeugs (Zug um Zug gegen Rückübereignung des gelieferten Fahrzeugs) gerichteten Klage stattgegeben. Mit der vom OLG zugelassenen Revision verfolgte die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat sich anhand der vorliegenden Fallgestaltung mit mehreren, bis dahin höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Fragen im Zusammenhang mit dem Sachmängelgewährleistungsanspruch des Käufers auf (Ersatz-)Lieferung einer mangelfreien Sache beschäftigt. Im Einzelnen:

Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen habe, habe das dem Kläger veräußerte Neufahrzeug bei Übergabe einen Sachmangel aufgewiesen. Denn die Software der Kupplungsüberhitzungsanzeige habe eine Warnmeldung eingeblendet, die den Fahrer zum Anhalten aufgefordert habe, um die Kupplung abkühlen zu lassen, obwohl ein Anhalten tatsächlich nicht erforderlich gewesen sei.

An dieser Beurteilung als Sachmangel ändere es nichts, wenn der Verkäufer dem Käufer mitteile, es sei nicht notwendig, die irreführende Warnmeldung zu beachten. Dies gelte auch dann, wenn der Verkäufer (wie die Beklagte) zugleich der Hersteller des Fahrzeugs sei.

Weiterhin stehe dem vom Käufer wegen eines Sachmangels geltend gemachten Anspruch auf Nacherfüllung durch Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache nicht entgegen, dass er – wie vorliegend der Kläger – gegebenenfalls zunächst die andere Art der Nacherfüllung, nämlich die Beseitigung des Mangels verlangt habe.

Denn die Ausübung des Nacherfüllungsanspruchs sei gesetzlich nicht als bindende Gestaltungserklärung ausgeformt, so dass der Käufer nicht daran gehindert sei, von der zunächst gewählten Art der Nacherfüllung wieder Abstand zu nehmen.

Außerdem dürfe ein Käufer auch dann an seiner Wahl der Nacherfüllung durch Ersatzlieferung festhalten, wenn der Mangel nachträglich ohne sein Einverständnis beseitigt werde. Insoweit komme es somit nicht darauf an, ob die Beklagte den irreführenden Warnhinweis während des Rechtsstreits durch Aufspielen einer korrigierten Version der Software beseitigt habe. Denn der Kläger habe einer solchen Nachbesserung im Rahmen der vorausgegangenen routinemäßigen Inspektion weder ausdrücklich noch konkludent zugestimmt.

Der Verkäufer könne die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung allerdings verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich sei. Das Berufungsgericht hat jedoch das Vorliegen der geltend gemachten Unverhältnismäßigkeit im vorliegenden Fall verneint.

Dabei habe das OLG zunächst zutreffend berücksichtigt, dass vorliegend die Kosten der Ersatzlieferung zwar deutlich höher seien als die Kosten der Nachbesserung durch ein Software-Update, dem Mangel aber erhebliche Bedeutung zukomme, weil er die Gebrauchsfähigkeit des Fahrzeugs spürbar einschränke. Insoweit sei wiederum ohne Einfluss, ob die Beklagte, die Einblendung der irreführenden Warnmeldung durch das Aufspielen einer korrigierten Software beseitigt habe. Denn für die Beurteilung der relativen Unverhältnismäßigkeit der gewählten Art der Nacherfüllung sei grundsätzlich der Zeitpunkt des Zugangs des Nacherfüllungsverlangens maßgebend.

Nicht tragfähig sei allerdings die weitere Annahme des Berufungsgerichts, auf die andere Art der Nacherfüllung könne nicht ohne erhebliche Nachteile für den Kläger zurückgegriffen werden.

Insoweit hat der BGH den Ausgangspunkt des OLG gebilligt, dass der auf Ersatzlieferung in Anspruch genommene Verkäufer den Käufer nicht unter Ausübung der Einrede der Unverhältnismäßigkeit auf Nachbesserung verweisen dürfe, wenn er nicht im Stande sei, den aufgetretenen Mangel vollständig, nachhaltig und fachgerecht zu beseitigen.

Kategorie: Kaufrecht, 29. Oktober 2018



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