Kündigung wegen Adipositas?
Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf
27.07.2017 – 7 Sa 120/16
Das LAG Düsseldorf hatte sich mit folgendem Fall zu befassen, der wegen eines Vergleichs aber nicht zur Entscheidung kam:
Die Beklagte, die in den Bereichen Landschafts-, Kanal- und Tiefbau, Pflanz- und Pflasterarbeiten sowie Grünflächenpflege tätig ist und mehr als zehn Arbeitnehmer hat, stellte den Kläger im Jahr 1985 ein. Er ist 1,94 m groß und wiegt ca. 200 kg. Im Hinblick auf die Einsatzfähigkeit des Klägers regte die Beklagte eine Gewichtsreduktion an, weshalb der Kläger ab Februar 2014 an dem Gesundheitsprogramm eines Adipositaszentrums teilnahm. Nach Abschluss des Programms konnte keine Gewichtsreduzierung festgestellt werden. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.07.2015 ordentlich zum 28.02.2016.
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Kündigung. Diese sei unwirksam. Er sei aufgrund seiner Adipositas als (schwer-)behinderter Mensch anzusehen. Er behauptet, die Beklagte habe die Kündigung mündlich mit seiner Fettleibigkeit begründet, obwohl er tatsächlich in der Lage sei, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nach wie vor erbringen zu können. Er verlangt deshalb außerdem eine Entschädigung von 6.000,00 Euro wegen Benachteiligung aufgrund einer Behinderung. Die Beklagte behauptet u.a., dass der Kläger aufgrund seines Körpergewichts eine Vielzahl von Tätigkeiten, die für seine Beschäftigung unabdingbar seien, nicht mehr ausüben könne. So sei er z.B. nicht mehr in der Lage, den bei ihr eingesetzten Kleinlastwagen zu steuern. Er sei nicht mehr für Graben- und Kanalarbeiten einsetzbar, weil er aufgrund der nach der DIN 4124 vorgegebenen Grabenbreite in die Gräben nicht mehr hineinpasse. Er könne nicht auf Leitern stehen, denn deren Belastbarkeit sei auf 150 kg beschränkt. Ebenso gebe es keine passende Arbeits- und Schutzkleidung für ihn.
Nachdem das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage stattgegeben hatte, einigten sich die Parteien in der Berufungsverhandlung dahingehend, dass sowohl die streitbefangene Kündigung als auch der vom Kläger geltend gemachte Entschädigungsanspruch erledigt sind. Der Kläger sagte zu, weiterhin an seiner eingeleiteten Gewichtsreduzierung zu arbeiten.
Quelle: Pressemitteilung des LAG Düsseldorf vom 27.07.2016
Der Europäische Gerichtshof hatte bereits 2014 entschieden, dass extreme Fettleibigkeit bei Hinzutreten besonderer Umstände eine Behinderung darstellen kann und eine aus diesem Grunde erfolgende Diskriminierung unzulässig sein kann (EuGH, Urteil vom 18.12.2014, Az. C-354/13). Darauf zielte im vorliegenden Fall die Entschädigungsklage des Klägers gegen seinen Arbeitgeber in Höhe von 6.000,00 Euro.
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob ein Mitarbeiter aus Gründen, die in seiner Person liegen (hier: Fettleibigkeit), an der Erbringung der Arbeitsleistung dauerhaft gehindert ist. In diesem ist eine personenbedingte Kündigung grundsätzlich möglich, selbst wenn eine Behinderung vorliegen sollte. Hiergegen richtete sich die Kündigungsschutzklage des Klägers, der bestritten hatte, dauerhaft an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert zu sein.
Kategorie: Arbeitsrecht, 28. Juli 2016
Ansprechpartner:
- Peter Sausen
- Bernd Wonschik
- Matthias Ecks
zurück