Unwirksame Widerrufsbelehrung beim Verbraucherbauvertrag

Unwirksame Widerrufsbelehrung beim Verbraucherbauvertrag


Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart

Beschluss vom 19.04.2023 – 10 U 33/23

Das Verbraucher-Widerrufsrecht wird für Unternehmen immer wieder zum Fallstrick und führt zu Streit vor Gericht. So auch in Stuttgart: Das dortige OLG hat entschieden, dass nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt wird, wenn zwar eine richtige Musterbelehrung verwendet wird, aber der Eindruck erweckt wird, das Widerrufsrecht müsse mittels eines bestimmten Formulars ausgeübt werden. Da der Widerruf formfrei eingelegt werden kann, sei ein solcher Hinweis laut Gericht geeignet, den Verbraucher von der rechtzeitigen Ausübung des Widerrufsrechts abzuhalten.

Geklagt hatte ein Verbraucher, der mit der Beklagten im Juli 2021 einen Verbraucherbauvertrag über Bauleistungen sowie einen Vertrag über Planungsleistungen abgeschlossen hatte. Die Verträge enthielten den Passus: „Die Bauherrschaft hat das Recht, die auf den Abschluss dieses Vertrages gerichtete Willenserklärung innerhalb einer Frist von zwei Wochen unter Verwendung des als Anlage zu diesem Vertrag beigefügten Formulars, dessen Erhalt die Bauherrschaft hiermit bestätigt, zu widerrufen.“

Nachdem die Beklagte die nach dem Planungsvertrag geschuldeten Leistungen erfüllt hatte, erklärte der Kläger im Mai 2022 den Widerruf hinsichtlich sämtlicher Vertragserklärungen und begehrte Rückzahlung des aufgrund des Planungsvertrags bezahlten Honorars in Höhe von 8.000 Euro.

Wie zuvor schon das Landgericht Stuttgart kam nun auch das OLG zu dem Ergebnis, dass der Widerruf des Klägers wirksam war.

Laut OLG habe dem Kläger ein Widerrufsrecht gemäß § 650 BGB zugestanden, das er rechtzeitig ausgeübt habe. Zwar sei die an sich gemäß §§ 355 Abs. 2, 650 Abs. 1 BGB für die Ausübung des Widerrufsrechts geltende Zweiwochenfrist ab Vertragsschluss abgelaufen, da der Bauvertrag im Sommer 2021 abgeschlossen wurde und der Kläger sein Widerrufsrecht erst im Mai 2022 ausgeübt habe. Nach §§ 356e, 355 Abs. 2 S. 2 BGB habe die Widerrufsfrist vorliegend jedoch 12 Monate und 14 Tage ab Vertragsschluss betragen, weil der Kläger nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei. Die beigefügte Belehrung, die auf das Ausfüllen eines Formulars verweise, sei unzutreffend, weil nach aktuellem Recht der Widerruf nach § 355 Abs. 1 BGB formfrei – und damit ohne Verwendung eines bestimmten Formulars – erklärt werden könne. Der Wirksamkeit des Widerrufs stehe auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen.

Die Beklagte muss das bezahlte Honorar also zurückzahlen.

Die Entscheidung zeigt, dass die Verwendung der korrekten Musterwiderrufsbelehrung allein nicht dazu führt, dass die Belehrung insgesamt ordnungsgemäß ist. Undeutliche oder einschränkende Zusätze oder Ergänzungen können dazu führen, dass die Widerrufsfrist erst nach einem Jahr und 14 Tagen abläuft. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn der Eindruck erweckt, der Widerruf sei unter „Verwendung des beigefügten Formulars“ einzulegen, obwohl der Widerruf nach geltender Rechtslage formfrei eingelegt werden kann.

Kategorie: Bau- und Architektenrecht, Immobilienrecht, Werkvertragsrecht, 07. September 2023

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