VW verliert mit einstweiliger Anordnung vor BVerfG gegen Einsatz eines Sonderprüfers zur Aufklärung des sog. „Kfz-Abgasskandals“
Am 20.12.2017 hat die 4. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einen Antrag der Volkswagen AG auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Einsatz eines Sonderprüfers als unzulässig abgelehnt (Beschluss vom 20.12.2017; Az. 1 BvR 2754/17).
Nachdem das Oberlandesgericht Celle den Einsatz eines Sonderprüfers zur Aufklärung der Geschehnisse rund um den Abgasskandal gebilligt hatte, legte Volkswagen hiergegen Verfassungsbeschwerde nebst einstweiliger Anordnung ein und rügte insbesondere die Verletzung des Grundsrechts auf Berufsfreiheit.
Darauf entschied das BVerfG nun, dass die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung (§ 32 Abs. 1 BVerfGG) nicht gegeben sind. Zwar ist die erhobene Verfassungsbeschwerde weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat aber keinen Erfolg, weil er unzulässig ist. Denn Volkswagen als Beschwerdeführerin hat einen Nachteil im Sinne des § 32 BVerfGG und im Übrigen teilweise die Dringlichkeit einer sofortigen Entscheidung nicht hinreichend dargelegt.
Volkswagen hatte vortragen lassen, dass eine Sonderprüfung Prozessrisiken in außerordentlicher Höhe auslöse, weil Kläger auf Informationen aus einem möglichen späteren Prüfungsbericht spekulierten und deshalb – solange die Sonderprüfung andauert – nur zu Vergleichen bereit seien, die nicht vorteilhaft für VW wären. Auch könnten weitere Anleger Klage erheben. Zudem müssten dem Sonderprüfer Dokumente zur Verfügung gestellt werden, welche schutzwürdig seien. Sie müssten somit im Rahmen des amerikanischen Beweisverfahrens offengelegt werden. Auch dadurch würden Volkswagen nach eigener Einschätzung Risiken und Verschlechterungen in laufenden, nicht nur auf die Dieselthematik bezogenen Klageverfahren in Milliardenhöhe drohen. Darüber hinaus würde die Sonderprüfung erhebliche Kosten und andere Belastungen verursachen, etwa weil sie personelle Ressourcen binde. Auch bestehe die Gefahr, dass der Sonderprüfer bei der Auswertung interner Daten von Mitarbeitern, etwa E-Mails, private und intime Inhalte einsehen könnte.
Das BVerfG schob dieser Argumentation nun ausdrücklich einen Riegel vor: Es sieht in diesen Argumenten keinen hinreichend schweren Nachteil für den Fall, dass eine einstweilige Anordnung nicht erlassen würde, die Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg hätte. Ein solcher wäre aber Voraussetzung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung.
Es sei eine reine Vermutung, dass die Sonderprüfung zu weiteren Klagen führe, zumal der Autokonzern die finanziellen und sonstigen Auswirkungen entsprechender Klageerhebungen nicht konkret dargelegt habe. Außerdem handele es sich bei dem Risiko, mit unberechtigten Klagen konfrontiert zu werden, um ein hinzunehmendes allgemeines Lebensrisiko. Volkswagen habe auch nicht überzeugend erläutert, warum die befürchteten Kosten eine „erhebliche Beeinträchtigung“ für den Konzern darstellten. Die Richter verwiesen darauf, dass sich auch Vorteile durch die Sonderprüfung ergeben können, etwa in Form von Schadensersatzansprüchen gegenüber Vorstand und Aufsichtsrat oder Versicherungen. Dies würde – falls Pflichtverletzungen nachgewiesen würden – die Nachteile kompensieren. Zudem könnten dem Sonderprüfer die bisherigen internen Prüfergebnisse zur Verfügung gestellt werden, was die Kosten und Belastungen reduzieren würde.
Der Sonderprüfer darf somit vorerst weiterprüfen!
Kategorie: Kaufrecht, 02. Januar 2018
Ansprechpartner:
- Atif Yildirim
- Matthias Ecks
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