Das Coronavirus aus arbeitsrechtlicher Sicht [Update vom 16.03.2020 / Schule / KiTa schließt – wer zahlt? // Entschädigung für Selbständige]
Auch am Arbeitsrecht geht das Coronavirus nicht vorbei. Antworten auf häufige Fragen.
Kein Selbstbeurlaubungsrecht – vereinfachte Krankschreibung
Mitarbeiter dürfen sich nicht selbst beurlauben. Wer aus reiner Sorge dem Arbeitsplatz fernbleibt, fehlt unentschuldigt und verletzt seine arbeitsvertragliche Leistungspflicht. Möglich sind einvernehmliche Absprachen über kurzfristigen Urlaub oder eine einvernehmliche unbezahlte Freistellung. Letztere sollte durch schriftliche Vereinbarung erfolgen.
Arbeitnehmer mit leichten Atemwegserkrankungen können sich ab sofort telefonisch von ihrem Arzt für bis zu sieben Tage krankschreiben lassen. Darauf haben sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband am 9.3.2020 verständigt. Die Maßnahme soll dazu beitragen, die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen.
Die Regelung gilt für Patienten, die an leichten Erkrankungen der oberen Atemwege erkrankt sind und keine schwere Symptomatik vorweisen oder Kriterien des Robert-Koch-Instituts (RKI) für einen Verdacht auf eine Infektion mit COVID-19 erfüllen. Die Vereinbarung gilt zunächst für vier Wochen.
Fürsorgepflicht
Der Arbeitgeber ist unter anderem nach dem Arbeitsschutzgesetz dazu verpflichtet, erforderliche Maßnahmen zur Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter zu treffen. Die Fürsorgepflich verpflichtet den Arbeitgeber mit anderen Worten, nicht „die Hände in den Schoß zu legen“, sondern aktiv zu werden. Zunächst einmal müssen sich Unternehmen ständig auf dem Laufenden halten, aktuelle Meldungen an die Mitarbeiter weitergeben und über die Entstehung und Symptome der Infektion aufklären. Orientieren kann sich der Arbeitgeber dabei an den derzeit ständig aktualisierten Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI), des Bundesgesundheitsministeriums und der jeweiligen Landes- und Kommunalbehörden sowie an dem bereits bestehenden Nationalen Pandemieplan. Den Nationalen Pandemieplan hatte das RKI ursprünglich zwar für eine Influenzapandemie entwickelt – er soll jedoch auch für andere Pandemien entsprechend zur Anwendung kommen.
Haben Arbeitnehmer den Verdacht einer Infektion im näheren Umfeld, sind sie verpflichtet, dies offen gegenüber dem Vorgesetzten oder den dafür zuständigen Stellen im Unternehmen zu kommunizieren.
Konkrete Schutzmaßnahmen
Noch mehr – als ohnehin bereits – ist auf die Einhaltung von Hygienestandards zu achten. Externe Besucher, wie Angehörige oder Lieferanten, sind ggf. über die Notwendigkeit der Nutzung von dazu bereitgestellten Desinfektionsmitteln zu unterrichten. Wo noch kein Verdachtsfall besteht, kann zumindest erwogen werden, externe Besucher dazu aufzufordern, sich vor einem Besuch telefonisch anzumelden und Besucher strikt auf die Ein- und Austragung in bereitgestellte Besucherlisten zu verweisen. Ebenso kann es sinnvoll sein, Mitarbeiter unter Hinweis auf die mittlerweile bekannten Übertragungswege dazu aufzufordern, auf Begrüßungen von Kollegen oder Angehörigen durch Handschlag oder durch Umarmungen zu verzichten. Hinsichtlich nicht unbedingt notwendiger Veranstaltungen wie Schulungen und Weiterbildungsveranstaltungen sowie Dienstreisen hat der Arbeitgeber nach eigenem Ermessen abzuwägen, wie diesbezüglich die Entscheidung ausfällt. Im Fall eines Infektionsverdachts ist die infizierte Person zu isolieren und der zuständigen Gesundheitsbehörde parallel Meldung zu erstatten. Auch Kontaktpersonen, die durch entsprechende Befragungen zu eruieren sind, müssen getestet werden und sind vorsorglich bis zum Gegennachweis so zu behandeln, als seien sie bereits infiziert. Die zuständige Behörde kann bereits Ansteckungsverdächtigen die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise untersagen sowie eine Quarantäne anordnen.
Wer zahlt bei Arbeitsausfall? Wer zahlt, wenn die Kindertagesstätte / Schule schließt?
Für kurzfristige Ausfälle einzelner Mitarbeiter kann sich ein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung aus § 616 BGB ergeben. Ein Arbeitnehmer verliert seinen Anspruch auf Vergütung nicht dadurch, dass er für eine verhältnismäßig unerhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung gehindert ist. Wo dies nicht greift, etwa weil es sich nicht mehr um kurzfristige Verhinderungen im Einzelfall handelt oder weil der Arbeitgeber § 616 BGB vertraglich ausgeschlossen hat, gilt: Von einem Ausübungsverbot oder einer Quarantäne betroffene Mitarbeiter haben einen Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz. Die Entschädigung bemisst sich in den ersten sechs Wochen nach dem Verdienstausfall (Nettoentgelt), anschließend nach dem Krankengeld. Die Entschädigungsleistung erfolgt in den ersten sechs Wochen durch den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber wiederum kann bei der zuständigen Behörde innerhalb von drei Monaten die Erstattung der geleisteten Entschädigung beantragen. Es besteht zudem die Möglichkeit, einen Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsbetrages zu beantragen. Der Entschädigungsanspruch – dies ist allerdings rechtlich umstritten – ist auch dann einschlägig, wenn ein Mitarbeiter tatsächlich infolge einer Infektion mit dem Coronavirus arbeitsunfähig erkrankt ist. Der speziellere Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz verdrängt dann den „regulären“ Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Bei der Schließung von Kindertagesstätten und Schulen gilt: Mitarbeiter müssen nicht zur Arbeit erscheinen, wenn ihr betreuungsbedürftiges Kind wegen der Schließung der Betreuungseinrichtung nicht anderweitig versorgt werden kann. Das trifft im besonderen Maße auf alleinerziehende Elternteile zu. Anspruch auf Vergütung haben Mitarbeiter für die Zeit aber nur, wenn sie für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“, also nur vorübergehend, nicht zur Arbeit erscheinen können. Jedenfalls bei einer mehrere Wochen dauernden Schließung der Kindertagesstätte oder der Schule handelt es sich nicht mehr um eine vorübergehende Verhinderung. Die Folge: Der Anspruch auf Vergütung besteht bereits ab dem ersten Tag des Fehlens nicht.
Entschädigung auch für Selbständige möglich
Auch Selbständige können eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz geltend machen. Für die ersten sechs Wochen wird sie in Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Für die Berechnung des monatlichen Verdienstausfalls ist bei Selbständigen ein Zwölftel des Arbeitseinkommens aus der entschädigungspflichtigen Tätigkeit zugrunde zu legen. Vom Beginn der siebten Woche erfolgt die Entschädigung in Höhe des Krankengeldes, soweit der Verdienstausfall die für die gesetzliche Krankenversicherungspflicht maßgebende Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteigt. Der Selbständige kann darüber hinaus einen Antrag auf Gewährung eines Vorschusses in Höhe der voraussichtlichen Entschädigung stellen. In existenzbedrohenden Fällen kann der Selbständige zudem einen Antrag auf Erstattung der entstehenden Mehraufwendungen in angemessenem Umfang geltend machen. Auch kommt eine Erstattung von nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang in Betracht. Sämtliche Entschädigungsansprüche sind binnen einer Frist von drei Monaten bei den zuständigen Landesbehörden zu stellen.
Neue Regeln für das Kurzarbeitergeld
Für Branchen, in denen das Coronavirus zu Produktionsausfällen / Umsatzeinbußen führt, interessant: Den Zugang zum Kurzarbeitergeld will der Gesetzgeber vereinfachen. Wenn aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Entwicklungen Aufträge ausbleiben, kann ein Betrieb Kurzarbeit anmelden, wenn mindestens 10 Prozent der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sein könnten. Diese Schwelle liegt bisher bei einem Drittel der Belegschaft. Auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes soll vollständig oder teilweise verzichtet werden können. Das geltende Recht verlangt, dass in Betrieben, in denen Vereinbarungen zu Arbeitszeitschwankungen genutzt werden, diese auch zur Vermeidung von Kurzarbeit eingesetzt und ins Minus gefahren werden. Auch Leiharbeitnehmer können künftig Kurzarbeitergeld beziehen. Die Sozialversicherungsbeiträge, die Arbeitgeber normalerweise für ihre Beschäftigten zahlen müssen, soll die Bundesagentur für Arbeit künftig vollständig erstatten. Damit soll ein Anreiz geschaffen werden, Zeiten der Kurzarbeit stärker für die Weiterbildung der Beschäftigten zu nutzen. Das Gesetz soll noch in der ersten Aprilhälfte in Kraft treten und dann rückwirkend zum 01.03.2020 gelten. Die Regelung zur Kurzarbeit sind zunächst einmal bis zum 31.12.2020 befristet.
Bitte beachten Sie: Es handelt sich um einen ersten Überblick, der eine Beratung im Einzelfall nicht ersetzen kann. Für einzelfallbezogene Handlungsempfehlungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Kategorie: Arbeitsrecht, 16. März 2020
Ansprechpartner:
- Peter Sausen
- Bernd Wonschik
- Matthias Ecks
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