Rückzahlung von Fortbildungskosten
Rückzahlungsklauseln – in einzelvertraglichen Fortbildungsvereinbarungen, nach denen der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber einen Teil der Fortbildungskosten zu erstatten hat, sofern er innerhalb eines vereinbarten Zeitraums aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, sind grundsätzlich zulässig. Nicht zulässig und damit unwirksam sind aber solche Klauseln, die nicht nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens des Arbeitnehnmers unterscheiden.
Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 14.8.2024
Az.: 2 SLa 101/24
Fortbildungen sollten das Arbeitsleben begleiten, um bestehende Qualifikationen zu vertiefen und zu sichern sowie neue Qualifikationen zu erwerben. Arbeitgeber investieren dabei mitunter sehr viel in entsprechende Fortbildungen ihrer Mitarbeitenden. Nachvollziehbar ist, dass sich der Arbeitgeber erhofft, dass der fortgebildete Mitarbeitende nach Abschluss der Fortbildung noch einen gewissen Zeitraum im Unternehmen verbleibt. Schließlich soll sich die Forbildung ja auch für den Arbeitgeber lohnen. Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent, wenn Arbeitgeber mit den fortzubildenden Mitarbeitenden Vereinbarungen abschließen, wonach der Mitarbeitende einen Teil oder aber die gesamten Fortbildungskosten an den Arbeitgeber zahlen muss, wenn er nach Abschluss der Fortbildung das Unternehmen vor Ablauf einer bestimmten Frist verlässt. Solche Rückzahlungsvereinbarungen sind unter gewissen Voraussetzungen grundsätzlich zulässig. Die arbeitsrechtliche Rechtsprechung hat über viele Jahre hinweg die Regeln für die Wirksamkeit solcher Vereinbarungen herausgearbeitet und definiert. Im Kern geht es um die Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen Rückzahlungen unangemessen sind. In seiner Entscheidung vom 14.8.2024 hatte zuletzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg über eine in der Praxis typische Konstellation einer Fortbildungsvereinbarung mit Rückzahlungsklausel zu entscheiden.
Klage auf Erstattung der Fortbildungskosten
Eine Pflegeeinrichtung schloss mit einer angestellten Pflegekraft eine Fortbildungsvereinbarung. Diese enthielt folgende Rückzahlungsregelung: „Die Arbeitnehmerin verpflichtet sich, die […] von der Arbeitgeberin übernommenen Kosten […] an die Arbeitgeberin zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von 24 Monaten nach Beendigung der Fortbildung mit Ablegung der Abschlussprüfung […] aus von der Arbeitnehmerin zu vertretenden Gründen von der Arbeitnehmerin oder der Arbeitgeberin beendet wird […]“. Die Mitarbeiterin absolvierte die Fortbildung erfolgreich, kündigte aber im Anschluss das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der vereinbarten Bindungsfrist von 24 Monaten und verließ das Unternehmen. Da sich die ausgeschiedene Mitarbeiterin weigerte, die vereinbarte Rückzahlung zu leisten, klagte die Arbeitgeberin vor dem zuständigen Arbeitsgericht (ArbG) Weiden auf (teilweise) Rückzahlung der Fortbildungskosten und berief sich auf die vertragliche Rückzahlungsklausel. Die Arbeitnehmerin vertrat die Ansicht, die Rückzahlungsklausel sei unwirksam, da diese sie unangemessen benachteilige, weshalb sie keine Rückzahlungen zu leisten habe. Sie argumentierte, die Unwirksamkeit folge aus dem Umstand, dass die Formulierung auch ihre unverschuldete Eigenkündigung einschließe. Die Arbeitgeberin vertrat hingegen die Auffassung, die Formulierung „aus von der Arbeitnehmerin zu vertretenden Gründen“ umfasse ausschließlich eigenverantwortliche Eigenkündigungen. Die Eigenkündigung wegen unverschuldeter Leistungsunfähigkeit sei hingegen nicht erfasst. Zudem trug die klagende Arbeitgeberin vor Gericht vor, es sei generell unzumutbar, ihr das Risiko einer personenbedingten Eigenkündigung durch die Arbeitnehmerin aufzuerlegen.
Die rechtliche Bewertung
Bei Rückzahlungsklauseln handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die als solche einer umfassenden Wirksamkeitskontrolle unterliegen. Sie dürfen den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen und sind bei Unklarheiten auszulegen. Unter Zugrundelegung der Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Arbeitnehmers sind für eine vorzunehmende Auslegung der konkrete Wortlaut der Rückzahlungsklausel, der von den Parteien verfolgte Regelungszweck sowie die jeweils für die andere Vertragspartei erkennbare Interessenlage heranzuziehen. Da Rückzahlungsklauseln das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG des Arbeitnehmers erheblich einschränken, bedarf es zudem einer umfassenden Würdigung der widerstreitenden Interessen unter der Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Ergibt die Auslegung, dass den Arbeitnehmer eine Rückzahlungsverpflichtung ohne Ausnahme trifft, soweit die Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses allein aus seinem Verantwortungs- und Risikobereich und damit aus seiner Sphäre stammen, ist eine unangemessene Benachteiligung anzunehmen. Die Folge ist dann die Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel. Verbleibende Zweifel im Rahmen der Auslegung gehen gem. § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Arbeitgebers als Verwender der AGB. Erforderlich ist daher, dass eine Rückzahlungsklausel für den durchschnittlichen Arbeitnehmer transparent und verständlich formuliert ist sowie zwischen Fällen der von dem Arbeitnehmer unverschuldeten (etwa wegen dauerhafter Leistungsunfähigkeit) und verschuldeten Beendigung des Arbeitsverhältnisses differenziert.
Rückzahlungsklausel unwirksam
Die Klage der Arbeitgeberin blieb in zwei Instanzen erfolglos. Das ArbG Weiden hielt die Rückzahlungsklausel für unwirksam und bejahte eine unangemessene Benachteiligung der Arbeitnehmerin. Das LAG Nürnberg bestätigte das Urteil der ersten Instanz und stellte klar, dass eine Rückzahlungsklausel transparent und verständlich gestaltet sein müsse. Die im Streit stehende Rückzahlungsklausel genüge diesen Anforderungen nicht und sei unwirksam. Der verwendete Begriff des Vertretenmüssen könne einerseits im Sinne des § 276 BGB auszulegen sein, was die Rückzahlungsverpflichtung an „Vorsatz und Fahrlässigkeit“ knüpfe. In diesem Fall sei eine krankheitsbedingte Eigenkündigung von der gegenständlichen Klausel nicht umfasst. Andererseits könne die Klausel aber auch dahingehend ausgelegt werden, dass sämtliche Gründe aus der Sphäre der Arbeitnehmerin umfasst sind. Dies führe dazu, dass eine Rückzahlungsverpflichtung nach der Formulierung der Klausel auch im Fall der unverschuldeten Eigenkündigung wegen dauerhafter Leistungsunfähigkeit bestünde. Das Landesarbeitsgericht gab – im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – der zweiten Auslegungsmöglichkeit den Vorzug, schrieb verbleibende Restzweifel der Risikosphäre der Arbeitgeberin zu und hielt die Klausel damit für unwirksam.
Sonderregelung nach dem Pflegeberufegesetz
Zwingend zu beachten ist, dass eine Rückzahlungsklausel im Rahmen der Ausbildung zur Pflegefachkraft nach dem Pflegeberufegesetz (PflBG) nicht zulässig und daher regelmäßig nach § 24 Abs. 2 PflBG nichtig ist.
Kategorie: Arbeitsrecht, 10. Mai 2025
Ansprechpartner:
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