Voller Mindestlohnanspruch für Zeitungszusteller beim händischen Einsortieren von Werbung

Voller Mindestlohnanspruch für Zeitungszusteller beim händischen Einsortieren von Werbung


ArbG Nienburg
Urteil vom 13.08.2015 – 2 Ca 151/15

Beim händischen Einsortieren von Werbeprospekten („Konfektionieren“) durch einen Zeitungszusteller handelt es sich um eine Tätigkeit, die nicht mehr von der Zustelltätigkeit umfasst ist. Ein diese Tätigkeiten ausübender Arbeitnehmer hat daher Anspruch auf den vollen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro. Die entsprechende Ausnahmeregelung (§ 24 Abs. 2 MiLoG), welche noch eine zeitlich gestaffelte geringere Entlohnung erlaubt, gilt in diesem Fall nicht.

Der Sachverhalt

Der Kläger ist bei der Beklagten als Zusteller für eine Tageszeitung und ein Anzeigenblatt beschäftigt. Tageszeitung und Anzeigenblatt enthalten als Beilage regelmäßig Werbeprospekte, die der Kläger – zum Teil von eigener Hand – einsortieren muss. Die beklagte Arbeitgeberin zahlte dem Kläger in Anwendung der Vorschrift des § 24 Abs. 2 MiLOG einen Stundenlohn von 6,38 Euro (75 Prozent von 8,50 Euro). Nach dieser Ausnahmevorschrift ist Zeitungszusteller, wer in einem Arbeitsverhältnis ausschließlich periodische Zeitungen oder Zeitschriften an Endkunden zustellt, was auch Zusteller von Anzeigenblättern mit redaktionellem Inhalt umfasst (§ 24 Abs. 2 S. 3 MiLoG).

Der Kläger verlangt die Zahlung des vollen Mindeststundenlohns von 8,50 Euro sowie die Zahlung eines Nachtzuschlags von 25 % auf diesen Stundensatz. Er ist der Auffassung, die Ausnahmevorschrift des § 24 Abs. 2 MiLoG greife in seinem Fall nicht, da er nicht ausschließlich Zeitungen und Anzeigenblätter zustelle, sondern auch Werbeprospekte einsortiere und verteile. Seine Klage hatte vor dem Arbeitsgericht Erfolg.

Die Gründe

Der Kläger hat einen Anspruch auf die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns i.H.v. 8,50 Euro sowie auf den geltend gemachten Nachtzuschlag auf diesen Stundenlohn. Die Ausnahmeregelung des § 24 Abs. 2 MiLoG gilt für ihn nicht. Die Ausnahmebestimmung für Zeitungszusteller ist als Ausnahmevorschrift restriktiv auszulegen. Anders als das Bepacken des Transportmittels und die Fahrten zu den Kunden stellt das Konfektionieren keine Hilfs- und Nebentätigkeit zur Zustellung keine von § 24 Abs. 2 MiLoG umfasste Tätigkeit dar. Denn das Konfektionieren kann von der Zustellung an sich getrennt und auch von einer dritten Person ausgeübt werden. Der Begriff „ausschließlich“ ist nicht nur produkt-, sondern auch tätigkeitsbezogen zu verstehen. Nur wenn die Zeitungen oder Zeitschriften ausschließlich zugestellt werden, gilt der abgesenkte Mindestlohn. Dies zeigt sich auch in der Vergütungspraxis der Arbeitgeberin, die für das händische Einsortieren einen zusätzlichen Stücklohn zahlt.

 

 

 

 

 

Kategorie: Arbeitsrecht, Mindestlohn, 13. August 2015



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